Das
ionische
Kapitäl.
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der quadraten Form der Platte auf die runde des Stam-
mes. Durch die leise Schwingung aber, welche man
dieser Linie später lieh, und in der zartemßiegung,
welche sie oben erhielt, ist der Zweck des Tragens auf
eine überaus anmuthig und schöne Weise ausgedrückt;
es scheint, als 0b die ursprünglich weiche Masse im
Kampfe mit der Last sich diese Form gegeben, bevor
sie zu Stein erstarrte. An den Stamm selbst schliesst
sich der Echinus durch ein kleines vermittelndes Glied
an, Welches gewöhnlich in drei Riemchen besteht,
unterhalb welcher der Stamm der Säule entweder mit
einer Hohlkehle oder doch mit einem um den Stamm
herumlaufenden kleinen Einschnitte versehen ist. Hierdurch
werden beide Theile, Klapitäl und Stamm, deutlicher ge-
sondert, während zugleich der Säulenhals (denn so
nennt man jene Einkerbung des Stammes) die innere,
zusammenhängende Kraft des Säulenstammes versinnli-
chet, und die Riemchen als ein festes, gegliedertes Band
die hervortreibende Kraft , Welche sich in dem Eehinus
zeigt, noch anschaulicher machen, und dadurch die Schön-
heit seiner kräftigen Ausbiegung erhöhen.
Von dem dorischen Kapitale unterscheidet sich das
ionische höchst wesentlich. Während in jenem der
Gedanke des 'l'ragens rein und einfach ausgedrückt und
jedes Zufällige und Fremdartige vermieden war, nimmt
dieses Formen an, welche, so wohlthuend sie auch für
das Gefühl sind, auf den ersten Blick etwas Willkürliches
haben oder auf unbekannte Beziehungen und Gedanken-
verbiildungen hinzudeuten scheinen. Die Theile des
ionischeil Kapitals, die Voluten oder Schnecken, der Eier-
stab auf dem dazwischen liegenden Echinus, endlich die
Polster auf der Seitenansicht des Kapitals haben sämmtlich