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lösung der Seele mit Ergebenheit zu fügen. Nur darin
zeigt sich die Verschiedenheit der Römer, dass sie nicht,
wie die Griechen , leicht über den ernsten Gedanken
fortschlüpfen, sondern sich viel damit beschäftigen. Sie
bekämpfen mit griechischen Waffen die einheimischen,
etruskischen Lehren. Zu einem festen, begeisterten V olks-
glauben kam es aber auch in dieser Beziehung nicht; die
Römer waren nicht auf das Jenseits angewiesen, sie fühl-
ten ihre Aufgabe in dem äussern, irdischen Leben.
Die eigentlich geniale Leistung des römischen Volks
war die Ausbildung des Rechtsbegriffes. In der orien-
talischen Welt war die Einheit des Ganzen überall als
eine völlig einfache und gediegene aufgefasst, in welcher
für die freie Entwickelung des Einzelnen keine Stelle
blieb. Das griechische Ideal ging zwar grade auf die
Freiheit des Menschen aus, verband aber damit durch
eine poetisch schöne, doch praktisch unausführbare An-
forderung die Gestaltung des Ganzen. Erst in Rom
sonderten sich diese Sphären; erst hier verstand man
jedem das Seine anzuweisen, festzustellen, wie weit die
Rechte des Einzelnen , der Familie, des Standes und
endlich des ganzen Staates oder Volkes gingen. Dies
Bestreben war von Anfang an das vorherrschende im
römischen Volke, es übte auf alle seine 'l'hätigkeiten
einen gebieterischen Einiluss aus, es setzte mit IIäi-te
ein, um später Billigkeit und Festigkeit zu vereinigen.
In dieser Beziehung verdanken Wir Spätern der römischen
Welt unendlich viel; wenn die Griechen uns in manchen
Gebieten höherer Begeisterung als Vorbild erscheinen,
in praktischen Beziehungen stehen uns die Römer näher.
Der Rechtsbegriß war eine tiefere Anerkennung der
Persönlichkeit und ist deshalb auch dem Christenthume