Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

Volkscharakter 
und 
Sitte. 
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Tugend, welche bei aller Würde und männlichen Kraft 
doch immer egoistisch und spröde, und, obgleich Volks- 
sitte, dennoch immer wie eine conventionelle Hemmung 
natürlicher Entwickelung erscheint. 
VVir sahen, wie wichtig bei den Etruskern, wie wenig 
beachtet bei den Griechen das Leben nach dem Tode 
war; auch hier bilden die Römer eine Mitte, und ileigen 
sich mehr zu der griechischen Ansicht. Wohl scheinen sie 
den Begriff der etruskischen Genien in ihren "Manen" 
bewahrt zu haben, aber die Rücksicht auf den Tod, auf 
ein jenseitiges Leben mit Lohn und Strafe tritt in den 
Hintergrund. Die Dichter und der Volksglaube hielten 
manches der Art fest , und philosophisch beschäftigte 
man sich mit der Unsterblichkeit der Seele; aber man 
konnte auch leicht darüber sprechen. In einer öffentlichen 
Rede (pro Cluentio) behandelt Cicero den Gedanken an 
Lohn und Strafe in der Unterwelt als Thorheit und Fabel; 
wenigstens, wenn man der Stelle auch einen andern Sinn 
ziemlich künstlich unterlegen kann , fürchtete er doch 
solche Deutung nicht. Das gegenwärtige Leben wurde 
bei den Römern, wie bei den Griechen, die Hauptsache, 
ja das Ausschliessliche. Den Tod und was ihm folgte, 
nicht zu liireliten, war männliche Tugend; daher denn 
auch, wenn die WVürde des Lebens nicht mehr zu erhal- 
ten war, die Pflicht des Selbstmordes. Dieser kriegeri- 
schen Ansicht gemäss waren denn auch den Römern 
unter den philosophischen Lehren der Griechen diejenigen 
von besonderer Wichtigkeit, welche die Unsterblichkeit 
der Seele läugneten. Schon zur Zeit der Republik feierte 
Lucrez mit Begeisterung dies Dogma seines Epikur, und 
noch spät behandelt der fromme Kaiser Marc Aurel es 
als eine Pflicht, sich in den Gedanken der völligen Auf-
	        
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