406
Römen
Wesens sich zurückhalten. Es war dies wohl etwas
Verwandtes, aber doch sehr Verschiedenes von jener
schönen griechischen Mässigung, die nicht wie ein Opfer,
wie ein Zwang, sondern als die höchste Zierde des Ein-
zelnen selbst erschien. Der Grieche war Mensch im
vollsten Sinne des Wortes, indem er Bürger war; der
Römer erkannte den Unterschied und verzichtete nur auf
manches Natürliche zu Gunsten des Staates. Jener, viel?
leicht in einer schönen Täuschung, hielt beides für eins,
dieser war sich der Zweiheit bewusst und suchte nur der
Trennung zuvorzukommen. Hieran knüpft sich eine andre
Eigenthümlichkeit des römischen Wesens. Die Einheit
ist Sein, die Zweiheit Haben; die Kunst des Besitzes,
des Erwerbens und Erhaltens lag daher tief im römischen
Charakter. Die Republik hatte nicht bloss die Bedeutung
einer innern Gliederung des Volkes, sondern auch die
eines Gegensatzes gegen die draussen stehenden, welcher
nur durch Kampf und Sieg, durch Unterjochung derselben
gehoben werden konnte. Eben dies kriegerische Element
sprach sich auch im Innern aus; jeder Stand, jede Familie,
jeder Einzelne musste zunächst auf die Erhaltung seiner
Rechte denken, auch hier war eine gewisse Härte nicht
bloss verzeihlich, sondern selbst Tugend. Jener Cato,
der Censor, der gegen sich selbst so streng war, dass
er sich jedes feinem Geräthes wie eines Uebels ent-
äusserte, rühmte sich aber auch seiner Härte gegen seine
Sclaven, die er durch strenge Arbeit brach ohne ihrem
Alter Nachsicht zu schenken. Uneigennützig in der Ver-
waltung öffentlicher Gelder, schämte er sich doch des
Wuchers nicht, und pries den als einen bewundernswiir-
digen Mann, der sein Erbgut bedeutend vergrössert hin-
terlasse. Solche Männer waren die Vorbilder römischer-