Volkscharakter
und
Sitte.
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aristokratische Rücksicht gestattete es nicht, sich den
Augen des Volks Preis zu geben. Es waren von Anfang
an gedungene Leute, niedriger Herkunft, welche in den
Fechterspielen auftraten, die zuerst bei den Feierlich-
keiten der Bestattung, vielleicht als Milderung der Men-
schenopfer, aufkamen. "In der frühern Zeit der Republik
begannen reiche, aristokratische Familien neben andern
Steigerungen des Leichenpornps ihre Verstorbenen durch
längere Kampfspiele zu ehren. Das Wohlgefallen, welches
das Volk an diesem blutigen Schaugepränge fand, zeigte
es als ein erwünschtes Mittel, die Gunst des Pöbels zu
erwerben. Beamte, Machthaber und Ehrgeizige aller Art
wetteiferteninun im Reichtlmme und in der lilannigfaltig-
keit solcher Kämpfe. In eignen Fechterschulen wurden
die Opfer dieser grausamen Lust eingeübt; es wurde
Gewerbe, ganze Heerden von Sclaven zu diesem Hand-
werk erziehen zu lassen und den Festgebern zu vermie-
then. Die Bekanntschaft mit griechischer Sitte änderte
daran nichts, vielmehr steigerte sich der Luxus zu einer
kolossalen Ausdehnung. Wir können es wohl begreifen,
dass der rohe Pöbel dem Blutvergiessen mit Neugierde
und Schadenfreude zusah, schwer zu erklären ist es aber,
dass die Feingebildeten, selbst des Augusteischen Zeit-
alters diese verwildernde Lust geduldet und selbst beför-
dert haben f). Wir sehen daran, wie sehr die Römer es
Allerdings hielten die gebildetern Römer diese Spiele für eine
rohe Ergötzlichkeit. Wir haben einen interessanten Brief des Cicero
(ad Div. VII. in welchem er einem Freunde von den Festen
erzählt, die Poinpejus dem Volke gegeben. Schon von den Lust-
und Trauerspielen, wenigstens von ihrer Ausführung, spricht er
ziemlich geringschätzend, von den Gladiatoreil und Athleten will er
gar nicht reden, weil sein Freund sie verachte. Dann kommen die
Jagden, welche [irachtvoll waren, wie er eingestehen muss. Aber,
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