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Römen
nicht so rein um ihrer selbst willen geliebt, sondern wegen
ihrer Nützlichkeit. Sie ist nicht, wie die der Griechen,
das Werk der Freiheit, sondern sie hat etwas von der
Härte des Zwang-es oder von der Unredlichkeit _des
Scheines. Wenn es erlaubt ist christliche Begriffe zur
Vergleichung heranzuziehen, so nähert sich die römische
Tugend der Werkheiligkeit des Gesetzes, die griechische
der Unbefangenheit des Glaubens. Aus dieser Grundan-
sicht der Römer ging denn auch eine entschiedene Vor-
liebe für alles Starke, ja selbst Harte hervor; ihr Ideal
War Selbstübenvvindung, es war kriegerisch, und jeder
Sieg über weichere Gefühle hatte etwas ihren Augen
Wohlgefalliges. Daher die rücksichtslose Consequenz
in der Anwendung rechtlicher Begriffe. Die väterliche
Gewalt, das Recht des Hausherrn über seine Sclaven , ja
sogar die Ansprüche der Gläubiger an die Person des
Schuldners gehen bis zu der Befugniss des Verkaufens,
des 'l'ödtens. Daher die Neigung zum Selbstmorde, nicht
aus einer schwärmcrischen Begeisterung für ein besseres,
jenseitiges Leben, sondern aus einer tugendhaften Rück-
sicht auf die Pflicht eigner Würde, auf die Rolle, welche
man vor den Augen der Welt spielen, auf das Beispiel,
welches man geben müsse.
Eine sehr charakteristische Erscheinung dieser innern
Härte des römischen Sinnes sind die Gleadiatoren-
spiele. Die Kämpfe der Griechen waren eine Uebung
männlicher Kraft und Geschicklichkeit; nur Freigeborne
traten dabei auf, die feinsten Züge körperlicher Gewandt-
heit und muthigen Sinnes wurden von den Zuschauern
aufgefasst, und die höchste Begeisterung fand würdige
Gegenstände. In diesem Sinne waren solche Spiele in
Italien niemals üblich; die Sondcrung der Stände, die