Vergleichende
Schlussbctrachtung.
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einem durchgeführten Systeme der Castenverfassungt
Statt der einen zusammenhängenden Gliederung der Na-
tion, finden wir hier eine Zweiheit, Patrieier und Volk,
statt der durchgängigen Abhängigkeit des Einzelnen von
der natürlichen Geburt, eine Grundlage geistiger Freiheit,
auf welcher nur bestimmte Rechte lasten. Dort erscheinen
die Menschen in einem Zustande natürlicher Unfreiheit,
die Casten stehen wie die Geschlechter der Thiere neben
einander, das ganze System des sittlichen Lebens trägt
den Stempel der N othwendigkeit, wie die Natur. Hier
ist die Freiheit zwar beschränkt, aber durch bestimmte
Vorrechte, also durch ein Werk menschlichen Ursprungs
und, wenigstens der Form nach, der Freiheit selbst. Aehn-
lieh ist auch der Unterschied der Religion und ihrer An-
wendung auf das Leben. Dort ein allumfassendes System,
die Personification der Natur in ihren grossen, wieder-
kehrenden Erscheinungen; das Leben von dem Wandel
der Gestirne, von dem regelmässigen Wechsel der Jah-
reszeiten und der bestimmten Natur des Landes abhängig.
I-Iier ein ursprünglicher Gegensatz, jedem Einzelnen seine
Genien beigegeben, schwarze und weisse; die Kunde der
Zukunft zur Richtschnur der Ilandlungen erforscht und
zwar nach der Beobachtung höchst zufälliger Ereignisse.
Hier also ist alles vereinzelt, persönlich, dort im Zusam-
menhange des Ganzen. So finden wir auch den Unter-
schied der Kunst; dort alles einfach, an Naturgestaltung
erinnernd, grossartig, die menschliche Gestalt noch nicht
zum freien Leben entwickelt, aber in ruhiger, gemässig-
ter Haltung; hier im Gegentheil alles vereinzelt, nach
Individualität strebend , im starken Kampfe begriffen"
gewaltsam ringend.
Aehnlichkeit und Verschiedenheit in Beziehung auf