Verfassung
und
Religion.
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Dem Privatleben der Etrusker wird Prunk und Uep-
pigkeit nachgesagt; ihre Mahlzeiten waren bei den
Griechen berüchtigt , römische Dichter nennen sie: die
feisten Etrusker. Die Künste der Bequemlichkeit und
des Nutzens waren sehr vervollkommnet , Handel und
Schifffahrt bliiheten. Die Tracht war der griechischen
und begreiflichersveise der römischen verwandt, aber doch
bunter und prunkender. Eigenthümlich sind die hetruri-
sehen Stiefeln; sie hatten eine hohe Sohle, waren ge-
wöhnlich roth und mit goldnen Bändern gebunden, und
gingen bis über die Wade, wo ein ausgezackter Rand
herabhing. Ausserdem kommt mancher ungriechischc
Schmuck vor, besonders Halsketten bei Frauen und Kin-
dern, an denen bei diesen eine Kapsel, die Bulla, wahr-
scheinlich mit einem amuletartigen Inhalte hängt. I-löheres
geistiges Leben in Dichtung und Wissenschaft scheint
sich bei ihnen nicht entwickelt zu haben, es vertrug sich
nicht mit einem System abergläubisclier Ceremonien und
unterdrückender Herrschaft; dass aber die Empfänglich-
keit dafür nieht ganz fehlte, zeigt schon die Aufnahme
griechistger Mythen.
Diese wenigen Züge können genügen, um uns ein
Bild des hetrurischen Volks, das uns bei der Betrachtung
seiner Kunst begleitet, zu geben. WVir sehen es kräftig,
verständig, thätig, alles vielleicht in höherm Grade als
die Griechen, aber mehr auf das vereinzelte, irdische
Dasein gerichtet. Daher keine Spur von jenem begeister-
ten Sinne, der leicht vom Himmel zur Erde übergeht und
auf dieser die Himmlischen sieht; sondern strenge Zu-
rückhaltung der Sitte, sorgenvolle Herrschaft, abergläu-
bische Rücksicht. Für den sinnlichen Genuss des Lebens
War mehr als billige Freiheit gelassen, im geistigen