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Etrusker.
und ähnlichen Gestalten, bestimmter hervor. Bei den
italischen Gottheiten dagegen erscheint diese Beziehung
als das Wesentliche. Sie hatten keine Geschichte, kaum
dachte man sie sich bestimmten Geschlechts, man nannte
sie bald männlich bald weiblich; sie wurden nicht als
vollendete Personen um ihrer Persönlichkeit willen, son-
dem als herrschende Mächte um ihrer Wirkung willen
verehrt. Grossentheils sind sie bloss Personiiicationen
nützlicher Naturkräfte oder moralischer Eigenschaften;
das vollständige System der etruskischen Götterlehre
verbarg vielleicht eine durchgeführte, theoretische Auf'-
fassung der Natur m). Auch der griechische Olymp war
nicht durch ein festes äusseres Gesetz geschlossen, aber
er bildete doch einen schönen, vollendeten Kreis von
Idcalgcstalten; in Italien fand jeder allegorische Begriff
leicht seine Vergötterung. Aus dieser religiösen Richtung
erklärt sich denn auch die Neigung der italischen Völker
fremden Cultus aufzunehmen, welche wir in allen Jahr-
hunderten der römischen Geschichte erkennen, so wie
jenes Anschliessen der Etrusker an die griechischen
Mythen. Das Bedürfniss geschichtlich ausgebildeter He-
roengestalten machte sie dazu geneigt.
Dagegen stand hier die Religion in viel näherer Ver-
bindung mit dem Leben der Einzelnen. Bei den Griechen
K. O.1V[iiller a. a. O. II. 108. Daher spricht denn Creuzer,
Symbolik II. 993, von dem Vorherrschen des mystischen Elements in
dem Glauben der Etrusker, welches hier nicht wie in Griechenland,
dem poetischen unterlag. Indessen war üiese Mystik allem Anscheine
nach nur eine verständige, trockene und willkürliche Auffassung,
welcher man mit Unrecht einen Vorzug vor jener Poesie einräumen
würde. Häufig gilt es auch, was K. O. Müller a. a. O. S. 358
bemerkt, dass unsre Archäologen grade da, wo üppigerliebensgemzss
und schwelgerische Sinnlichkeit am Deutlichsten hervortreten, Myste-
rien erblicken.