Verfassung
und
Religion.
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italischen Geistes zu betrachten. Namentlich gilt dies in
Beziehung auf die Umgestaltung des griechischen Geistes
unter den Römern, denn alles was diese, vor ihrer Kennt-
niss des Griechischen, an geistiger Bildung besassen,
hatten sie von den Etruskern aufgenommen.
Allein auch über dies wichtige Volk sind unsere
Nachrichten sehr unvollkommen; wir schöpfen nur aus
den vereinzelten Angaben römischer Schriftsteller und
aus den Kunstdenkmälern, die uns erhalten sind. Selbst
die Sprache der Etrusker ist uns nur durch vereinzelte
Inschriften, nicht durch ein schriftstellerisches Werk be-
kannt. Sie ist, nach diesen Ueberresten, eine der griechi-
schen sehr fremde, so dass man daraus auf einen ent-
fernten, nordischen Ursprung schliessen zu müssen ge-
glaubt hat. Dennoch war bei den Etruskern eine grosse
Hinneigung zu allem Griechischen; namentlich ihre Kunst-
werke zeigen dies oft,'nicht bloss in den Formen, son-
dern auch in den Gegenständen. Sie behandeln darin die
griechischen Mythen, unter andern häufig den trojanischen
Sagenkreis, mithin nicht bloss eine Götterlehre sondern
eine That des Volks, als wenn es ihr nationales Eigen-
thum wäre; eine Erscheinung , Welche sich wohl nur
durch den Zusammenhang des Stammes erklären lässt.
In Beziehung auf Götterlehren waren zwar alle Völker
der alten Welt nicht völlig spröde gegeneinander, sie
hatten das Gefühl einer gemeinsamen Tradition; aber die
Aufnahme halbgeschichtlicher Sagen in den Kreis ihrer
Mythen scheint ohne die Ueberzeugung nationaler und
religiöser Verwandtschaft nicht wohl denkbar. Auch finden
wir wirklich in allem, was wir von den Etruskern wissen,
zwar grossc Abweichungen von dem Griechischen, aber
doch nur solche , welche nicht entschieden Fremdes,