Philosophische
Kunstlehre.
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die Rede, dass die Kunst die Menschen besser machen
müsse, als sie seien. Der Künstler, Welcher den Jupiter
oder die Minerva bildet, heisst es an einer andern Stel-
le "Ü, betrachtet nicht irgend einen, nach dessen Aehnlich-
keit er die Züge formt, sondern in seinem Geiste steht
ein Bildniss höchster Schönheit, nach dessen Aelmliehkeit
er seine Kunst und Hand leitet. Plato will den Maler,
der einen vollkommen schönen Mann dargestellt habe,
nicht deshalb tadeln, weil er nicht zu beweisen wisse,
dass es einen solchen gebe. Allein in andern Stellen und
zwar in denen, die am Ausführlichsten von der Kunst
handeln, wird doch nur von der Nachahmung der natür-
lichen Dinge , und zwar dies in einem sehr niedrigen
Sinne gesprochen. Merkwürdigerweise steht grade bei
Platon, dessen ächtgriechischer Kunstsinn in der Aus-
stattung seiner Dialoge unverkennbar ist, der über das
Schöne so begeistert und so herrlich philosophirt, die
Kunst in sehr geringem Ansehn. Die Ideen stammen
von Gott her, die wirklichen Dinge sind nur die Abbilder
dieser Ideen und diese Abbilder nun ahmt die Kunst
ohne Einsicht nach. Zwar spricht er im Phaedrus schön
von der göttlichen Begeisterung des Dichters, aber er
spricht hier nicht bloss von der Kunst und die ganze
Rede beabsichtigt nur die höhere Stimmung des Geistes
einer nüchternen, einseitigen, entgegenzusetzen. Auch
hier liegt vielmehr eine ungünstige Ansicht von" der Kunst
zum Grunde; eben weil den Dichtern die Einsicht fehlt,
sprechen sie das Richtige, wenn es geschieht, nur aus
göttlicher Eingebung. Die Kunst ist diesem Denker nicht
bloss ohne Erkenntniss, sie verbindet sich auch mit den
schlechtesten Leidenschaften der menschlichen Seele.
Cic.
Orat.
und
Plato
de
ßepnbl.
484.