Mängel
der
griech. Kunstrichtung.
357
schaft, dahin ferner die Darstellung des Menschen in
seiner irdischen Umgebung, in seiner Verwandtschaft mit
der lebenden Natur; ihre Auffassung war immer eine
ideale, sie isolirten den Menschen, machten ihn götter-
gleich. Deshalb hatten sie auch für den geheimen Zauber
der Lichtwirkungen keinen Sinn; ihre Kunst war vor-
herrschend plastisch, auch in der Malerei. Daher behielt
ihre Architektur beständig den Charakter der Aeusser-
lichkeit; der heitere, plastische Säulenschmuck, der nur
im Aeussern seine volle Bedeutung hat, blieb stets das
Ziel ihrer Leistungen. Eine Architektur des Innern, die
nur in der Perspective und in freien Wechselwirkungen
ihre Schönheit hat, kam nicht auf. Auch in der Poesie
ist dieser plastische Charakter unverkennbar. Ihre Tragö-
die, so bewunderswürdig sie ist, giebt nur die Conflicte
der Weltgesetze, nicht die tiefem Conllicte des Gemüths
mit den Verhältnissen. Sie lässt die Handlung nicht vor
den Augen des Zuschauers entstehen, sondern setzt sie
voraus und entwickelt nur ihre Folgen und Wirkungen,
gleichsam in einer Gruppe der Gestalten. Sie giebt daher
ihrem Inhalte nach nicht ein Bild des Weltganzen, ihrer
Form nach nicht eine dramatische Entwickelung im voll-
sten Sinne des Worts. Die grösseste Bedeutung dieser
Gattung war, dass sie in plastischer und hörbarer Dar-
stellung alle künstlerischen Elemente vereinte und so eine
harmonische Gesammtwirkimg im höchsten Style hervor-
brachte. Nicht minder fehlte ihrer Musik die tiefe In-
nerlichkeit und die reiche Entfaltung, welche diese Kunst
in christlicher Zeit erlangt hat; darüber sind alle Forscher
dieses schwierigen Theils der Geschichte einverstanden.
Aber alle diese Mängel sind eigentlich nur für die
Betrachtung der griechischen Kunst im Ganzen, für ihre