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Griechische
Kunst.
veredelt, das Geistige in unauflöslichei- Einheit mit der
sinnlichen Erscheinung. Der Mensch wird nicht in der
bleibenden Innerlichkeit der Seele, sondern nur in der
flüchtigen, äusserlichen That erkannt. Das Edle und
Nachzuahmende in dieser ethischen Vorstellung ist der
Begriff einer vbllen Harmonie, der völligen Individuali-
tät, aber sie wollen diese gleichsam zu leichten Kaufs
erlangen. Es ist ein jugendliches Ideal, das gegen die
Gesetze der Wahrheit und Wirklichkeit verstösst, und
daher auch in der Wirklichkeit nicht realisirt wird. In
ihren philosophischen Forschungen gehen sie ZWIH zum
Theil über diese Schranken hinaus; aber auch hier noch,
so lange die Philosophie jenen griechischen Grundzug
harmonischer Durchbildung festhält, bei Platon, giebt sie
nur einschönes, erhabenes, vielfach lehrreiches, aber
doch der WVirklichkeit exitrücktes Phantasiebild. Bei
Aristoteles
tritt
sie
ZWEI?
schon
der
Wahrheit
bedeutend
näher, aber nur als subjective Forschung, nicht mit der
Kraft zu neuer Gestaltung der griechischen Welt. Sie
überschritt gleichsam die Gränzen des griechischen Gei-
stes und wurde, wie ein Vermächtniss, erst kommenden
Geschlechtern recht fruchtbar.
Für die Kunst war nun dieser Mangel bei Weitem
nicht so gefährlich und dagegen jene Richtung auf har-
monische Individualität höchst günstig; hier waren die
Griechen daher auch dann noch schöpferisch oder doch
fruchtbar, als ihre Sittlichkeit schon erschlafft und unkräf-
tig zu grossartiger Gestaltung war. Dennoch können wir
auch in der Kunst die Mängel dieser Weltansicht spüren.
Alle Aufgaben, die über die Gränze der einzelnen schönen
Persönlichkeit hinausgehen, blieben unberührt oder wurden
unvollkommen gelöst. Dahin gehört vorzüglich die Land-