Die
Säule.
benskraft aber noch durch die mathematische Strenge des
Gesetzes allzusehr gebunden. Durch die Verjüngung des
(zylindrischen Stammes sehen wir dagegen auch die Ab-
sicht und Gewalt des Tragens ausgesprochen, und durch
die Schwellung gewinnt dies ein höheres , gleichsam
elastisches Leben. Denn nun wird uns ein kräftiges, der
Last entgegenstrebendes und mit innerer Schwungkraft
dieselbe hebendes Wesen dargestellt. Man hat die Be-
merkung gemacht, dass selbst dem Laien, dem die ge-
ringe Ausbiegung des Säulenstamnres in der Entasis an
sich nicht leicht auffällt, eine Säule ohne alle Schwellung
nüchtern und schwach erscheine, und dies dadurch er-
klärt, dass das Auge den mittlern, von freier Luft um-
gebenen Theil durch eine optische Täuschung für dünner
halte, als den obern und untern, durch die Berührung
mit den horizontalen Linien des Gebälkes und des Bodens
leichter messbaren. Allein der Grund dieser Empfindung
liegt wohl mehr in einem ästhetischen Gefühle, dessen
man sich nur nicht vollkommen bewusst wird, als in der
Einrichtung des Auges und der optischen Wirkung der
Luft, indem der, welcher an die vollere, elastischere
Gestalt der durch die Schwellung verschönertcn Säule
gewöhnt ist, den lllangel und das durch denselben her-
vortretendc Leblose , bloss Mechanische des Stammes
bemerkt, ohne sich über die Ursache klar zu werden.
Dies Princip der Belebung herrscht auch in der Ver-
zierimg des Säulenstammes vor. Bildlicher Schmuck in
Hieroglyphen oder Arabesken, wie er in Aegypten ge-
wohnlich war, wurde an den Säulenstämmen der griechi-
schen Gebäude niemals angewendet; die einzige Ver-
zierung , welche an diesen vorkommt, besteht in der
K a n n e li r u n g, in rohrförmigen Höhlungen an der Oberfläche