Schranken
der
grie ch.
Wcltansicht.
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es auch nur (da Wir nicht befürchten dürfen, von jener
Schönheit auf falsche Wege verlockt zu werden), um
die Vorzüge, die wir dessenungeachtet anerkennen, ge-
recht zu würdigen. Einem Begriffe, der zu den edelsten
gehört, welche das Christenthum uns gelehrt hat, waren
die Griechen sehr nahe, dem des Reiches Gottes; nach
einer "sittlichen Weltordnung, in Welcher Freiheit und
Recht nach ewigem Gesetze i-egierten, strebten alle ihre
Gedanken. Aber Weil ihnen die Erkenntniss eines einigen,
vollkommenen Schöpfers und Vaters fehlte, gestaltete sich
diese Vorstellung nur als die einer äusserlichen Ordnung
des Staates. Alles was über die Gränzen dieses Be-
griifes hinausgeht, war ihnen daher fremd oder feindlich,
sie ignorirten es oder drängten es in den Hintergrund.
Daher erkannten sie die freie Natur, welche uns als die
Schöpfung Gottes Liebe einflösst, nicht an, sie verwan-
delte sich ihnen in dämonische, freundliche und feindliche
Wesen. Daher durften sie die zartern, freieren Regungen
des Gemüths nicht gelten lassen, welche in der Richtung
auf eine geistige Gottheit ihr Ziel und ihre Weihe haben;
ihnen waren sie als widerstreheiul und auf lösend die ge-
fährlichsten Feinde der Sittlichkeit. Daher hat die Ge-
schichte ihrer sittlichen Entwickelung (wenn wir von der
Naivetät der llOmEPiSGhGll Vorzeit absehn) nur zwei Ge-
stalten, jene strenge, harte Bürgerlichkeit bis zu den
Perserkriegeil und die zwar noch anmuthigen und edeln
Formen der individuellen Bildung, die aber die Einheit
des Ganzen auflösen. Eine Zeit, in der beide Gegen-
sätze sich ausgleichen, giebt es nicht. Ihre Vorstellung
hält sich gleichsam in einer sinnlich sittlichen Mitte,
zwischen den Polen der unbewussten Natur und der
höchsten geistigen Freiheit. Das Sinnliche ereheinl; ihnen
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