Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

Schranken 
der 
griech. 
Weltansichtz. 
353 
eine höhere Olienbarung als die Natur; was er aus ihr 
deutet, ist Wesentlich sein Werk, es hebt ihn nicht über 
sich. Deshalb muss die Religion eine andere, eine geistige 
Quelle ausserhalb des einzelnen Menschen haben, und die 
erste Gestalt derselben ist die Tradition. Die Philosophie 
aber kann niemals Tradition werden, wenigstens nicht 
bei dem Volke, in dessen Schoosse sie entsteht. Sie 
trägt immer den Charakter freier, geistiger Bewegung, 
sie ist ewig eine Werdende. So sehr sie sich daher 
einer reinern Erkenntniss Gottes näherte, ja indem sie 
dieses that, vollendete sie nur die Zerstörung der heimi- 
schen Religion und mit ihr des Volkswesens. 
Aber sie vollendete diese Zerstörung nur. Denn 
begonnen hatte sie eigentlich von Anfang an, als die 
Sage und die Dichter die unvollkommenen Ueberlieferun- 
gen im edlern Sinne umbildeten. Von da an, so sehr 
auch Gesetze und Sitten das Heiligthum vor fernerem 
Eindringen schützen mochten, war ein Fortschritt in die- 
ser Richtung unvermeidlich. Hätten die Griechen, wie 
die alten Aegypter, nichts Höheres im Sinne gehabt, als 
die äussere Ordnung der sittlichen Welt nach der Gestalt 
der sinnlichen Natur, so hätte auch ihr Volk, wie jenes, 
dieselbe langjährige, nur durch fremde Gewalt zerstörbare 
Dauer haben können. Ihr Verderben lag in ihrer höhern 
Begabung, darin, dass ihre sittliches Gefühl über ihre 
religiösemUeberlieferungen hinausragte. Wer aber möchte 
das stumme unfruchtbare Beharren des ägyptischen Volks 
dem kurzen reich erfüllten Leben des griechischen vor- 
ziehen? 
Die griechische Geschichte erscheint von dieser Seite 
wie eine grosse ffragödie. Wie, Achilleus muss Hellas 
nach göttergleichen 'l'haten in seiner Jugendblüthe sterben, 
Il. 23
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.