Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

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Griechische 
Kunst. 
im Leben zeigte sich der innere Widerspruch schneller 
als in jenen reinen Gebieten; mit dieser vollen, demo- 
kratischen Freiheit konnte griechische Sitte nicht bestehen. 
Willkür und Eigennutz, Leichtsinn und Leidenschaft be- 
gannen sofort an dem Gemeinwesen zu rütteln, seine 
Mauern zu untergraben. Jetzt und später finden wir 
einzelne, herrliche Gestalten, aber der Anblick des Gan- 
zen, der Staaten, des griechischen Volks giebt uns schon 
das Bild der beginnenden Auflösung, und selbst jene 
Heroen sind nicht so rein, um uns dafür zu entschädigen. 
 S0 zeigte sich der innere Widerspruch des griechi- 
schen Geistes. Jenes Ideal individueller Freiheit, das 
ihm vorschwebte , musste nach dem Gesetze innerer 
Nothwendigkeit, das jede lebendige Wahrheit an das 
Licht treibt, sich verwirklichen, aber mit ihm konnten 
die bisherigen religiösen und bürgerlichen Zustände nicht  
bestehen. Der Glaube an diese sinnlich gestalteten Göt- 
ter, an das unantastbare I-Ieiligthum der Stadtgemeinde 
war nun kraftlos, jedes sittliche Gebot schwankend ge- 
worden. Man kann erstaunen, dass es nun dem regen, 
"lebensvollen Geiste der Griechen nicht gelang, auf dem 
Boden dieser neuen Einsicht ihr Gemeinwesen neu zu 
errichten. In der That waren ihre Philosophen eifrigst 
bemüht und glücklich genug, eine tiefere Erkenntniss des 
göttlichen Wesens und der göttlichen Abstammung der 
menschlichen Seele, eine neue Begründung der Sittlich- 
keit zu erlangen oder doch zu ahnen. Aber diese höhere 
Einsicht konnte niemals Gemeingut, niemals Religion 
werden. Die Religion muss stets wenigstens die Form 
einer Offenbarung haben. Jene erste Offenbarung, 
welche in der äussern Schöpfung vor uns liegt, ist un- 
genügend, denn der Geist des Menschen ist selbst schon
	        
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