Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

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Kunst. 
Griechische 
dadurch ihnen die schöne Ausbildung ihres sittlichen 
Ideals möglich wurde. Freilich war es dies, was sie 
hoch befähigte, aber zugleich war darin ein Keim innem 
Zwiespaltes gegeben, welcher ilenschnellen Verfall herbei- 
führte. Die Götter, von welchem frühern Volke sie auch 
herstammten, kamen zu den Griechen auf dem YVege 
historischer Tradition; die sittliche Vorstellung entwickelte 
sich aus ihrer eignen Brust. Beide also, Religion und 
Sittlichkeit, hatten verschiedene Quellen. Zwar verwan- 
delte ihr besseres Gefühl diese Götter aus blossen Natur- 
symbolen in fühlende und handelnde Wesen, aber völlig. 
verloren sie den Charakter jenes frühern Ursprungs nicht. 
Die Frömmigkeit war nicht die Quelle der sittlichen Ge- 
bote, sondern selber ein sittliches Gebot; weil es dem 
Menschen ziemte, die Götter zu ehren, opferte man an 
ihren Altären und hielt sie für die Erhalter des Rechts. 
Aber auch so waren sie nur Geschöpfe des menschlichen 
Gefühls, von diesem gehoben, nicht es erhebend. 
Das sittliche Ideal der Griechen beruhete gewiss auf 
einer tiefen Anschauung. Die Gestalt des Menschen in 
der vollen Entwickelung seines ganzen Wesens und in 
der harmonischen Einheit seiner Kräfte schwebte ihnen 
vor, und für die Ausbildung dieses Grundgedankens war 
denn jene ursprüngliche Unabhängigkeit von religiösen 
Dogmen allerdings günstig. Keine ängstliche Rücksicht 
auf Geheimnissvolles und deshalb leicht Missverstandenes 
hinderte sie, dem edeln und feinen Gefühle zu folgen. 
Aber eine völlige Gleichgültigkeit des moralischen Ele- 
ments gegen das religiöse ist denn doch wieder nicht denk- 
bar; wie die Gestalten jener Natnrgötter behielt auch 
ihre sittliche Anschauung (sei es durch diese Wechsel- 
wirkung oder durch eine Beschränkung der ursprünglichen
	        
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