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Griechische
Kunst.
den Bürger an seine Stadt fesselten, lockerer wurden,
als Eigennutz und Leichtsinn dreist her-vertraten, als der
Bruderzwist der Hellenen begann. Es Scheint dem Zu
sammenhange der Kunst und der Sittlichkeit, den wir
früher zu bemerken glaubten, völlig zu widersprechen,
dass jene erst da ihren Gipfel erreicht, als diese bereits
zu sinken beginnt. Dennoch ist dieser Widerspruch nicht
da. Zum Theil mag es im Wesen der bildenden Kunst
liegen, dass sie der Entwickelung der Sitte nachfolgt;
die harte Arbeit in dem spröden Stoffe hält nicht gleichen
Schritt mit der leichtem, rein geistigen Entfaltung; sie
steht in einer Beziehung zur Wirklichkeit, welche sie
von der Anschauung des bereits Erschienenen abhängig
macht. Aber dies abgerechnet, War der Entwickelungs-
gang der Sitte bei den Griechen kein anderer, als der der
Kunst. Auch ihre Sitte weilte lange aüf vorbereitenden
Stufen, betrat dann plötzlich das innerste Heiligthum, um
ebensoschnell es wieder zu verlassen. Jene edle Strenge
der lykurgischen Zeit, jene anfopfernde Pietät, die wir
noch in den Perserkriegen bewundern, hängt dennoch
mit einer Härte zusammen, Welche die höchsten sittlichen
Regungen nicht aufkommen liess. Die Vaterlandsliebe,
in dieengen Gränzen einer Stadt eingeschlossen, in
dieser heroisch schroffen Gestalt, steht allzusehr mit- den
Anforderungen allgemeiner Menschenliebe, mit der Ent-
wickelung zarterer Empfindungen und höherer geistiger
Erhebung im Widerspruche; sie ist doch nur ein erwei-
terter Egoismus. Daher auch bei diesen frühern Griechen
die Sclaverei, daher so manche Grausamkeiten, daher
die Neigung zu verderblicher List. Diese strengen dori-
sehen Gestalten sind also wohl bewundernswürdige Vor-
bilder für gewisse Eigenschaften der menschlichen Natur,