Gleiche
Entwickelung
Kunst
Sitte.
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ters an ,
dete.
der
sich
in
dem
grossen
Weltreiche
ausbil-
Bevor wir sie in dieser Gestalt betrachten, wollen
wir noch einen Blick auf ihre Entwickelung auf heimi-
schem Boden werfen. Höchst merkwürdig ist der Verlauf
dieser Entwickelung. So herrlich die Kunst des Praxi-
teles und Lysippos, so bedeutend selbst noch die der
alcxandrinischen Epoche ist, so stehen sie doch in wahrer
Schönheit und in griechischer Eigenthümlichlaeit der kur-
zen perikleischen Epoche nach. Der ganze Gang der
Entwickelung gleicht einem Berge, der langsam in weiter
Dehnung sich erhebt, dann plötzlich steil zu seinem
Gipfel aufsteigt und ebenso schroff wiederum sich senkt.
Freilich, wenn wir unser Gleichniss durchführen wollen,
sich anfangs nur mässig senkt, dann lange in gleicher
Hochebene fortläuft und erst später allmälig tiefer und
tiefer abfällt. Vom trojanischen Kriege an, der doch den
Sänger schon begeistern konnte und uns daher schon
das Leben jenes plastischen Geistes erkennen lässt, bis
zu Perikles und Phidias gehen sieben Jahrhunderte hin.
So lange brauchte es, um diesen Geist zu seiner völligen
körperlichen Reife zu bringen , die dann so kurz nur
währte; es kann wie ein auffallendes Missverhältniss in
der Oekonomie der Geschichte erscheinen, dass so lange
Vorbereitetes so kurzen Bestand hatte.
Noch merkwürdiger wird diese Erscheinung, wenn
wir sie "nicht vereinzelt, sondern im Zusarnmenhange mit
der sittlichen Entwickelung der Griechen betrachten. In
der Zeit, in welcher die Sitte am Reinsten, die Vater-
landsliebc am Wirksainsten war, trug die Kunst noch
starre, uncntwickelte Züge. Sie erlangte ihre höchste,
edelste Bliithe erst dann, als schon die Bande, welche