Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

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Griechische 
Architektur. 
des Stammes gebildeten Linie, indem der Stamm etwa 
in der Mitte seiner Höhe ein wenig stärker wird Oder 
gleichsam anschwillt. Die Linie, welche wir von einem 
"Punkte des untern Umkreises zu dem entsprechenden des 
obern ziehen, weicht auf der untern Hälfte des Stammes 
nach aussen zu mit einer, aber freilich sehr leisen, Krüm- 
mungvon der graden ab, und kehrt dann auf der obern 
Hälfte desselben mit umgekehrt entsprechender Biegung 
wieder zu jener gradlinigen zurück. 
Es ist einleuchtend , dass diese Form nicht bloss 
nach Rücksichten der Zweckmässigkeit gewählt ist. Ein 
viereckiger Pfeiler trägt unmittelbar einen grössern Theil 
der darüber gelegten Balken als die runde Säule, er muss 
daher sicherer sein und besonders auch dem Auge die 
Beruhigung anscheinender Sicherheit in höherem Maasse 
geben. Die Vorzüge, welche die runde Form etwa für 
die Bequemlichkeit der Durchgehenden oder für die Con- 
servation der Säulen haben möchte, wenn das Material 
des Pfeilers ein Abstossen der scharfen Ecken befürchten 
liesse, sind zweifelhaft lllld jedenfalls wenig bedeutend. 
Dagegen ist die runde Gestalt unläugbar schöner und be- 
deutender, weil sie nicht bloss, wie die viereckige, das 
Wesen des todten, nach äussern Zwecken geregelten 
Stoffes ausspricht, sondern ein Bild höhern Lebens ent- 
hält. Die Kreisgestalt, an der jeder Punkt des Umfanges 
sich in gleicher Weise zu dem Centrum verhält, und die 
dadurch wie eine Ausstrahlung aus diesem gemeinsamen 
Mittelpunkte erscheint, ruft in uns unwillkürlich die Er- 
innerung an Belebtes hervor , dessen äussere Gestalt 
ebenso wie seine Bewegung und Handlung der Ausdruck 
einer innern, seelenhaften Kraft ist. Im einfachen Kreise 
oder in dem regelmässigen Cylinder erscheint diese Le-
	        
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