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Vierte
Periode
der
griech.
Kunst.
nöthig war , um die Absicht 'des Künstlers auszuführen,
mithin ein Ueberwiegen des Geistigen, während wir von
denn Kunstwerke eine völlige und- gleielimässige Durch-
dringung- der beiden Elemente, des Geistigen und des
Materiellen fordern. Es ist jene subjective Idealität, ein
vereinzelter Gedanke, nicht eine verkörperte Vorstellung
des Volks. Bei alledem aber ist der Gedanke des Werks
so schön, der Gott der Musen und der Begeisterung mit
so vollem poetischen Feuer dargestellt, dass jeder Unbe-
fangene einen Anklang dieser Begeisterung empfinden
muss. Dabei hat auch die Ausführung und die Natur-
wahrheit nicht durch dies enthusiastische Streben gelit-
ten, und es ist eine Schönheit und Eleganz der Linien
in den Umrissen der Figur, Welche das Auge besticht.
Man kann, glaube ich, den vaticanischen Apoll am Besten
dadurch charakterisiren, wenn man ihn das geistreichste
Bildwerk des Alterthums nennt, womit denn ebensowohl
auf die Vorzüge als auf das Mangelhafte der Richtung,
welcher er angehört, hingedeutet ist. In Welche andere
Epoche könnte man daher ein solches Werk mit grösserer
Wahrscheinlichkeit setzen, als in die Alexandrinische,
in die Zeit des epigrammatischen Scharfsinns, wo die
frische Unbefangenheit der frühern Zeit verloren War,
wo aber die Epigonen des alten Griechenlands mit
Empfänglichkeit und Enthusiasmus die geistigen Schätze
ihrer Vorfahren durcharbeiteten. Da ist es denn sehr
begreiflich, dass ein genialer, noch mit allen Mitteln der
Technik vertrauter Künstler sich in platonischem Sinne
für eine höhere Idee begeistert, und so dies herrliche
und eigenthümliche Werk hervorgebracht hat, dem viel-
leicht nichts fehlt, als die reine Anspruchslosigkeit der
frühem Zeit.