Die
Säule.
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drei Style so zu einander, dass im, dorischen das Einfache
und Strenge, im ionischen das Zierliche und Zarte, im
korinthischen noch grösserc Leichtigkeit und Reichthum
des Schmuckes vorherrschen. Man hat den ersten mit
der gedrungenen Kraft des kampfgeübten männlichen
Körpers, den zweiten mit den feinern Formen des Wei-
bes, den dritten endlich mit der schlanken, anmnthigen
Gestalt der Jungfrau verglichen "Ü. Näher wird sich dies
ergw-rben, wenn wir die Eigenthümlichkeit jedes Styls bei
Betrachtung der einzelnen Glieder kennen gelernt haben.
Unter diesen nimmt vor Allem die Säule unsere
Aufmerksamkeit in Anspruch, als der zu meist charak-
teristische Theil und weil an ihr die Verbindung der
mechanischen Zweckmässigkeit mit der aesthetischen
Belebung besonders deutlich hervortritt. Der Stamm der
griechischen Säule ist stets rund und zwar kreisrund,
allein nicht in der einfachen Gestalt des Cylinders, dessen
Oberfläche durchweg grade und senkrechte Linien mit
dem Boden bildet, sondern in doppelter Beziehung davon
abweichend, indem er, wie man es nennt, eine Verj ün-
gung und eine Schwellung hat. Jene besteht darin,
dass der Stamm unten stärker ist und nach oben zu ab-
nimmt, so dass also in jedem Punkte des untern Kreises
seine Oberfläche nicht einen rechtemsondern einen eini-
germasscn geneigten, spitzen VVinkel mit dem Boden
bildet. Die Schwellung (Entasis) dagegen besteht wie-
derum in einer Abweichung von der durch die Verjüngung
4') Der Vergleich beruht darauf, dass bei gleicher Höhe die
dorisclie Säule breiter, die ionische schlanker, die korinthische die
zarteste und schlankeste ist. Wollte man die l-löhe bei gleicher Stärke
des Säulenstammes vergleichen, so würde der Vergleich irre leiten,
denn dann ist die dorisclie Säule niedriger als die iunische oder
korintliisclie.