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Vierte
Periode
der
griech.
Kunst.
und wir haben ja gesehen, wie in einer frühem Periode
sich dies Bestreben sogar oft auf eine gewaltsame, un-
harmonische Weise äusserte. Von diesem Uebermaassc
hielt sich die schönste Zeit der griechischen Kunst frei,
aber ihre Ruhe war nur die Erhebung über jene leiden-
schaftliche Weise; das Belebende, Kräftige in jener blieb
erhalten, es erschien nur gemässigt und geläutert. Der
Ausdruck einer sinnlichen, leidenschaftlichen Kraft ist
daher auch in den meisten Götterbildern zu erkennen,
aber die Aeusserung wurde vermieden; in diesem Sinne
war schon der Charakter der Gestalten gebildet, in die-
sem Sinne wurde der Moment behandelt. Bei Darstellun-
gen der Leidenschaft und des Schmerzes kam es daher
darauf an, diese Ruhe in der Bewegung zu erhalten.
Das was in der Wirklichkeit sich gewaltsam, unharmo-
nisch äussert, wurde hier in ein edles, rhythmisches Maass
gebracht. Daher wurde denn auch der Moment oder doch
die Anordnung so gewähltydass das, was nur in sinnlich
gewaltsamster Weise sich" äussern konnte, vermieden,
aber die tiefste geistige Bewegung beibehalten wurde.
Wir haben schon bei der allgemeinen Betrachtung des
griechischen Kunstsinnes gesehen , wie dies auch mit
sittlichen Ansichten zusammenhing. Das Ethos sollte
mit dem Pathos verbunden werden, die Ruhe des Cha-
rakters auch in der Leidenschaft bewahrt bleiben. Daher
fordern die Philosophen, besonders Aristoteles, bei der
Kunst eine Katharsis, eine reinigende Wirkung für das
Gemüth , sie soll die Gemüthsbeuregungen edel darstellen,
damit sie die Lust daran in der Seele bilde, sie soll der
Leidenschaft ihr ideales Abbild entgegenhalten, um sie
zu heilen und zu reinigen. Man hat in neuerer Zeit be-
kanntlieh so viel von dem Styl, als einem Erfßrderniss