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des
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Kunst, wo nichts Persönliches mitwirkt, sondern etwas
Fremdes uns ergreifen soll. Da kommt es vor Allem
darauf an, die Phantasie des Zuschauers zu erregen. Um
dies zu bewirken, muss die Kunst ihr wohl entgegen-
kommen, ihr Stützpunkte darbieten, an denen sie sich
erhebt, nicht aber den Gegenstand in seiner ganzen sinn-
lichen Breite erschöpfen. Wollte sie ihr alles vorlegen,
ihr nichts übrig lassen, so würde ihre Wirkung geringer
sein. Sehr deutlich können wir das wahrnehmen, wenn
wir selbst den Versuch machen, das, was der Künstler
verhüllt, uns vollständig auszumalen; schon dies schwächt
die freie Wirkung des Werks. Das Sinnliche ist überall
nur ein Mittel des Geistigen, wenn es überwiegend wird,
ertödtet es dies; der Moment des sinnlichen Leidens ist
daher nicht der vorzugsweise wirksame. Hauptsächlich
gilt dies für die bildende Kunst, denn in der Poesie" selbst
ist schon das Medium der Sprache ein geistigeres, und
auf der attischeil Bühne hinderte die Maske und gewiss
auch die musikalische Begleitung eine grob sinnliche
Auffassung, so dass mit Recht in den bessern Zeiten die
Plastik noch nicht so weit ging wie die Tragödie. Diese
schonende Rücksicht auf die Phantasie, dieses Maasshalten
in der vollen sinnlichen Wahrheit ist nun der griechischen
Kunst durchaus eigen. Es mochte wohl kein ausgespro-
chenes Princip sein, es war diesem Volke von so leben-
diger Phantasie natürlich. Den Künstler riss das Feuer
des eigenen Gefühls fort und er rechnete auf die ent-
gegenkolnmerlde Erregbarkeit der Beschauer.
Es hängt dies zusammen mit dem was man die Ruhe
der griechischen Kunst nennt. Eine todte starre Ruhe,
wie die der ägyptischen Statuen, war ihr immer sehr
fremd, vielmehr strebte sie recht eigentlich nach Leben,