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Vierte
Periode
der
griech.
Kunst.
auf der Bühne vorgeht. Der Grund ist offenbar nicht,
den Zuschauer zu schonen, ihm das Aeusserste zu er-
sparen. Vielmehr wird der Schmerz möglichst entwickelt:
hinter der Bühne hört man den Todeskampf, den Schrei
des Sterbenden, dann werden die Pforten des Palastes
geöffnet, man sieht den Leichnam, die Nahverwandten
lassen die Klage in den gewaltigsten, schmerzvollsten
Tönen lang ausdauernd erschallen. Der lange Schmerz-
gesang mit seinen einfachen Ausrufungen zeigt deutlich,
dass er nicht bloss gesprochen, sondern in tiefen-schüt-
terndcn Weisen vorgetragen wurde. Man kennt die
grosse Wirkung der Musik auf die Griechen, gewiss
brachte dieser Gesang die tiefste, schmerzlichste Bewe-
gung bei den Zuhörern hervor. Auf eine weichliche Mil-
derung war es also nicht abgesehen, sondern ein anderer
künstlerischer Grund muss die Dichter zu jener Enthalt-
samkeit bestimmt haben, und ich glaube ein völlig rich-
tiger. Nicht die äussere Erscheinung bewegt uns, sondern
das, was wir empfinden. Schon bei Wirklichen Ereignis-
sen können wir dies wahrnehmen. Jeder, der sich selbst
und andere beobachtet, muss es bemerken, dass die sinn-
liche Erscheinung eine gewisse Kälte mit sich führt. Der
erste Anblick einer geliebten Leiche erschüttert uns bis
ins innerste Mark, treibt die Thränenströme und den
lauten Ausruf des Schmerzes hervor; bei fortdauernder
Nähe aber befällt uns ein Gefühl der Gewöhnung, die
leblose Erscheinung wird uns eine materielle, äussere, sie
nimmt schon etwas von der Gleichgültigkeit an, welche
jeder sinnliche Stoff für. uns hat; erst wenn sie wieder
entferntist, bemächtigt sich die Phantasie des Gegen-
standes und das Gefühl des Schmerzes entwickelt sich
Illln
in
seiner
Noch
viel
mehr
gilt
dies
VOR
der