Die
Gruppe
des
Laokoonn.
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tiefe und dabei so edle und rührende Ausdruck des
Schmerzes verdienen die höchste Bewunderung. Man hat
die Gruppe mit Recht eine Tragödie in drei Akten ge-
nannt, im Vater der mittelste, in welchem Energie und
Pathos am höchsten. Man sieht die Muskeln des kräf-
tigen Körpers durch den Schmerz gespannt und aufge-
schwellt, die Brust durch den beklemmten Athem gehoben,
den Unterleib eingezogen durch den Seufzer, welchen der
klagende Mund ausstösst. In diesem höchsten Körper-
schmerze aber hält ihn der Geist noch aufrecht, er mässigt
den Ausbruch der Klage, im Hinblick auf die Pein der
Kinder empfindet er das eigene Leiden weniger. Er klagt,
aber er schreit llißllt, sein Antlitz hat einen leisen Zug
des Unmuths, des Vorwurfs über die unverdiente Strafe,
in den Falten der Stirn sieht man, wie noch die Kraft
der Seele mit dem körperlichen Schmerze ringt. Es ist
in jeder Beziehung ein tiefes, edles Kunstwerk.
Bei alledem ist doch nicht zu läugnen, dass diese
Darstellung des Leidens weiter geht, als es die ruhige
Würde des Phidias und selbst der reine Geschmack der
Schule des Skopas und Praxiteles geduldet haben würde.
Sie ist nicht frei von einem Streben nach Effect, man
möchte sagen von einem theatralischen Charakter; man
findet schon eine fast absichtliche Entwickelung psycho-n
logischer und anatomischer Kenntnisse. Die Gruppe der
Niobe hat einen höchst verwandten Gegenstand, auch
da das Leiden durch eine Strafe der Götter, der eigene
Schmerz mit dem Mitgefühl der Kinder; wie ganz anders,
wie viel würdiger ist er aber da gefasst, und dennoch
wie viel ergreifender!
Wir bemerken in der griechischen Tragödie, dass
die blutige Katastrophe, der Moment des Mordens, nie