Grundform.
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gewahrt, als die gesuchte Grazie des Schauspielers, der
die Handthierung jenes zum Scheine nachahmt, so über-
trifft auch die griechische Architektur sowohl die dürftige
Rohheit als den absichtliehen Schmuck anderer Nationen.
Durch eine Erläuterung der einzelnen Glieder des
griechischen Baues, auf die wir sogleich übergehen, wird
dies, hoffe ich, deutlicher werden; zuvor ist indessen
noch auf einen allgemeinen Unterschied der Bauformen
aufmerksam zu machen. So einfach und feststehend der
Grundtypus des Tempels, den wir beschrieben haben,
ist, und unbeschadet der innern Nothwendigkeit, wel-
che die griechischen Baumeister bei der Entwickelung
des Einzelnen aus dem Grundgedanken des Ganzen leitete,
mussten doch nach der Bestimmung des Gebäudes und
nach der Persönlichkeit des Architekten gewisse Ver-
schiedenheiten eintreten; je nachdem nämlich das Werk
mehr einen einfachen und strengen oder einen reichen
und zierlichen Charakter erhalten sollte. In feinern Be-
ziehungen konnte dies nun bewirkt werden, ohne dass
dadurch eine namhafte Veränderung der Formen selbst
herbeigeführt wurde, und in der That finden wir an den
Bauwerken, dass , so gross auch die Gleiehförmigkeit
des Styls und die Beibehaltung des Hergebrachten war,
dennoch bei jedem einzelnen Werke zarte Modilicationen
und freie Veränderungen der Maassverhältnisse und der
kleinern Verzierungen eintreten. Allein neben dieser un-
begränzten Freiheit künstlerischer Anordnung und der
dadurch entstehenden Mannigfaltigkeit des Einzelnen giebt
es einen festgestellten und geregelten Gattungsunterschied,
nach welchem sich mehrere verschiedene Ordnungen oder
Stylarten sondern, von denen jede ihre eignen, leicht
erkennbaren Eigenthümlichkeiten hat. Man nennt sie
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