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Griechische
Architektur.
lichkeit gewiss die Aufgabe der griechischen Architektur,
wie je der andern Kunst. Die statische Bedeutung jedes
Gliedes, seine Beziehung auf die Construction musste
aus der Bildung jedes Theiles klar hervorgehen. Allein
diese einfache Durchführung des Zweckmässigen genügt
hier nicht; sie sichert zwar gegen grobe Verletzungen
des feinern Geschmacks und bringt von selbst eine,
wenn ich so sagen darf, krystallinische Regelmässigkeit
des Ganzen hervor, aus der sich Symmetrie und ange-
messene Grundverhältnisse ergeben, aber sie führt noch
nicht zu höherer Anmuth und Schönheit. Diese entsteht
erst durch die sinnvolle Behandlung aller einzelnen Theile.
Das Geheimniss nun, welches den Griechen hier die
Meisterschaft gab, scheint darin zu liegen, dass sie,
indem sie jedem Theile eine solche Gestalt gaben, welche
seine Bestimmung für die Festigkeit und Zweckmässig-
keit nöthig machte, ihn nicht als todte Masse behandel-
ten, sondern ihm Empfindung und Leben verliehen. Dies
aber nicht dadurch, dass sie ihm menschliche oder ähn-
liche aus andern Gebieten entlehnte Formen liehen, son-
dern aus seiner eigenen Bestimmung heraus, so dass er
seinem Berufe nur gleichsam bereitwillig entgegen kam
und den Zweck mit Sicherheit und Leichtigkeit ausführte,
wie ein gewandter und eingeübter Diener, welcher das
Ueberflüssige meidet und das kürzeste Mittel wählt,
aber doch auch in der Ruhe und Stärke seiner Haltung
anzeigt, dass ihm für unvorhergesehene Fälle Kraft und
Handgriffe zu Gebote stehen. Wie dann ein solcher in
der Freiheit seiner Bewegungen nicht bloss von dem
ungeschickten und. rohen Lohnarbeiter sich vortlleilhaft
unterscheidet, sondern auch ungeachtet des praktischen
Zweckes einen befriedigendern und schünern Anblick