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Dritte
Periode
der
griech.
Kunst.
schönsten in der eapitolinisehen findet, gewiss nähere
oder entferntere Nachahmungen seiner Auffassung. Hier
ist denn freilich der grossartige Ernst, jene Majestät,
welche der Religion eine Erweiterung gegeben , vor-
schwunden , aber der Geist, griechischer Anmuth und
Feinheit, das zarte Gefühl des Sittliclieil im Schönen,
hält doch die Kunst von allem Verletzenden fern, und
verleiht auch dem Leichtern und Zierlichen einen Adel
und eine Hoheit, welche Begeisterung erwecken und
mittheilen.
Zu den sichern Denkmälern aus der Zeit des Praxi-
teles gehört auch jener Fries am choragischen Monu.
mente des Lysikrates zu Athen, eine Darstellung des
Bacchus und der Satyr-n seines Gefolges, welche tyrrhe-
nische Seeräuber besiegen. Der Gott, leicht hingegossen
auf einem Felsstück sitzend, tränkt seinen Löwen in
aller Ruhe, während weiterhin seine Begleiter in freien
Gruppen mit den rohen Feinden kämpfen, oder besser
sie züchtigen, denn überall sind sie die Unterliegenden.
Bewundernswürdig ist die geistreiche Mannigfaltigkeit
der Gruppen, die naive Freiheit der Bewegungen, die
feine Abstufung zwischen den halbthierisehen aber doch
göttlicher Nähe nicht unwürdigen Satyrn, und den rohen
entarteten Räubern. Das ganze leichte Gebilde kann uns
eine Anschauung von dem derben Scherze einer attischen
Komödie, wenigstens von ihrem Geiste, geben.
Dass Praxiteles sich übrigens vor ernsten und heroi-
schen Aufgaben nicht scheute, wenn gleich Zeitgenossen
und Spätere iln1'1nelu' um jener leichter-n Stoffe wegen
rülnnten, geht daraus hervor, dass er für das Giebel-
feld eines Tempels in Theben die 'l'haten des lelerakles
darstellte.