Skopas
und
Praxiteles.
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zu Paris befindliche) Venus von Melos. Sie ist nur
von den Hüften abwärts bekleidet, ruhig stehend, ohne
jenen Ausdruck von weicher Lieblichkeit und Verschämt-
heit, den die spätem Darstellungen dieser Göttin meistens
zeigen. Ihr Haupt ist leicht erhoben, wie im Bewusstsein
des Sieges, das Antlitz von hoher Würde, in der Bildung
des Mundes spricht sich sogar ein edler Stolz aus; nur
die Augen haben schon jenen sehnsüchtig-schmachtenrlen
Ausdruck durch das Heraufziehen der untern Lider,
welchen die Alten das „Feuchte" des Auges nannten,
und der in den spätem Venusbildern so stark hervor-tritt.
Wunderbar schön ist der Körper durch die frische, ge-
sunde Natürlichkeit, die selbst in feinen Details, in den
zarten Bewegungen der Muskeln und der Haut mit der
grössten Meisterschaft durchgeführt und zugleich mit
einer Grossheit und Einfachheit verbunden "ist, welche
dem Styl der Bildwerke des Parthenon sehr nahe steht.
Auch die Behandlung des Gewandes erinnert durch die
Schärfe der Falten noch an diese, während das Haar
freier ausgeführt ist i). XVir sehen also an diesem WVerke,
einem der schönsten , welche auf uns gekommen, sehr
deutlich den Uebergang aus der frühem in, eine spätere
Zeit
Skopas war von der Insel Paros gebürtig, er lebte
und arbeitete aber zu Athen, und mag als der Begründer
der neu-attischen Schule angesehen werden, als deren
Haupt der um etwa 40 Jahre jüngere Praxiteles er-
scheint; beide arbeiteten noch gleichzeitig (Skopas wahr-
scheinlich im hohen Alter) an den Basreliefs, welche
ü") S. Waagen a. a. 0. Th. lll. S. 110.
M) In der Villa Albani ist eine antike
Sfatue.
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