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Entwickelung
plastischen Styls.
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Griechenland ähnliche Folgen hervor. Als die Wunden
dieses Bürgerkrieges geheilt waren, wuchs ein Geschlecht
von anderer geistiger Richtung auf. Jene altgriechische
Einfachheit und Strenge war schon zu des Perikles Zeit
nur noch eine, wenn auch frische Erinnerung; aber den-
noch war ein hohes, gemeinsames Streben, der Gedanke
der Perserkriege herrschte noch, die Blicke waren noch
auf grossartige Erscheinungen gerichtet. Athen kämpfte
um eine ausgebreitete Herrschaft, selbst jener unglück-
liche , vielleicht thörichte und ungerechte Zug nach Sici-
lien zeigte einen kühnen Sinn; die Staatsmänner während
des Krieges, vor allen der grosse und edle Perikles,
waren noch begeisternde Gestalten. Jetzt änderte sich
dies Alles, die Einzelnen begannen mit egoistisch ver-
ständiger Ueberlegung ihren Vortheil, von dem ihrer Mit-
bürger zu unterscheiden , die Richtung auf Erwerb und
Genuss, auf Vereinzelung verbreitete sich immer mehr.
Aber noch immer war es Griechenland, wo diese Auf-
lösung vor sich ging, und so schnell konnte der Geist
nicht schwinden, der so mächtig gewirkt hatte; noch
gab es reine und herrliche Gestalten, wie Pelopidas und
Epaminondas, wie später Demosthenes, Dion, Timoleon.
Freilich hatten sie zu kämpfen gegen die Entartung ihrer
Stammesgenossen oder ihrer Mitbürger, aber auch dieser
Kampf erregte hohe und heilige Gefühle. Die Religion
hatte zwar durch die Ausbildung sophistischer Lehren
ihre unantastbare Heiligkeit verloren, sie war nicht mehr
das feste Band der Einheit; aber mit der Vielseitigkeit
des Verstandes entstand eine höhere Regsamkeit, eine
bisher unbekannte Feinheit mannigfacher Empfindungen.
Der Sinn für die Hoheit der alten Zeit war noch nicht
verschwunden, er äusserte sich nur auf eine andere,