Polykleitos
und
Myron.
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Thicren dem Erze fast Leben zu geben, bei einem an-
dern, dass er im Körper sorgfältig, die Seele nicht aus-
zudrücken gewusst habe. Man sieht, es war eine Rich-
tung auf eine mehr äusserliche Nachahmung der Natur,
welche begreiflieherweise von der Menge und in Beziehung
auf technische Vollendung gerühmt, von denen aber, die
höhere geistige Ansprüche machten, weniger geschätzt
wurde. Auch von zwei andern Künstlern dieser frühen
Zeit, dem Kallimachos und Demetrios, wird es bald tadelntl
erwähnt, dass sie in der Wahrheit zu weit gegangen,
bald lobend, dass sie darin fortgeschritten. Ohne Zweifel
(und in der That wird es bei Myron ausdrücklich bemerkt)
hatten diese Künstler noch manches mit der strengen
Kunst, die ihnen vorhergegangen war, gemein; dies
musste aber um so mehr auffallen und hart erscheinen,
wenn damit eine genaue und ängstliche Nachahmung der
Natur in den Details verbunden war. Nur bei Thiergcstal-
ten, wo es auf höheres, geistiges Leben nicht ankam,
war es weniger störend, und so konnten die des Myron
auch noch in einer weit "spätern Zeit als musterhaft be-
wundert werden.
Vermittelst dieser, freilich mangelhaften Nachrichten
und durch eine Vergleichung mit den uns erhaltenen
Werken können wir uns wohl eine Vorstellung von dem
Gange der Kunstenttvickelmig in der Zeit neben und nach
dem Phidias machen. Es war ein höchst angeregtes Le-
ben; in allen Gegenden Griechenlands traten Künstler
hervor, alle Städte wollten sich schmücken, man rief
daher auch auswärtige Meister herbei oder suchte durch
Coneurrenz das Vorzüglichste zu erhalten; Dadurch
wurde die Kunst denn mehr dem religiösen Gebiete ent-
zogen, die Stimme des Volks mit seinen sinnlicherir An-