Bildwerke
des
hohen
Styls.
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Ein sehr bedeutendes Werk dieser Zeit ist der Fries
vom Tempel des Apollo bei Phigalia, welcher, wie
wir oben sahen, obgleich in Arkadien und also im Pelo-
ponnes, doch unter der Leitung des Iktinos, des Bau-
meisters des Parthenon errichtet wurde. Wir können
daher auch wohl bei den Bildwerken dieses Tempels eine
Einwirkung der Schule von _Athen annehmen; gewiss
sind sie dessen durch ihre Schönheit würdig. Sie stellen
Kämpfe zwischen Centauren und Lapithen und zwischen
Amazonen und Griechen dar, und unterscheiden sich von
den Sculpturen des Parthenon und von dem, im Gegen-
stande und Umfange ähnlichen Friese am Theseustempel
durch eine viel bewegtere, leidenschaftlichere Auffassung.
Indem sie dadurch jenen an einfacher, klarer Schönheit
nachstehen, haben sie wieder den Vorzug einer reichern
Phantasie und der kühnern Darstellung eines bewegten
Moments. Der Kampf wogt in den mannigfaltigsteii Grup-
pen des Unterliegens und der Gegenwehr; die Doppel-
natur der Centauren giebt Gelegenheit zu doppelter Be-
wegung, wie denn einer von ihnen, indem er vorn mit
einem Gegner handgemein ist, mit den Ilinterhufen nach
einem andern aussehlägt.
Vielleicht noch schöner ist der Amazonenkampf, in
welchcln das Element der Anmuth noch in der Aufregung
des Kampfes und im Schmerze des Todes waltet. Die Be-
handlung der Gewänder ist eine etwas gewaltsame; bald
(XXXVI. es ungewiss lässt, ob_Phidias_in Marmor gearbeitet,
so muss man annehmen, dass auch dieser Koloss von Erz gewesen sei.
Bei der sorgfältigen Aufzählung der in Rom belindlichen Werke des
Praxiteies (XXXIV. 19. 10. und XXXVI. 4. 5.) wird des andern
Kolosses nicht erwähnt; wahrscheinlich war daher der Meister des-
selben unbekannt und man fügte später willkürlich den Namen des
ändern grosscn Künstlers hinzu.