Bildwerke
des
hohen
Styls.
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der natürlichen Erscheinung zusammen. In jeder Falte
des Gewandes, in jeder Linie der Umrisse, in der Bildung
jedes Gliedes finden wir wie dieser Geist unbewusst
und bewusst zugleich sich ausspricht; und diese Harmonie
des Ganzen so wie jeder einzelnen Gestalt in sich macht
die grosse Schönheit dieser. Werke aus. Freilich fehlen
uns zur vollen Bezeichnung dieser Schönheit die Worte,
und dies hier in höherm Grade als bei den spätern Wer-
ken , welche sich mehr auf die Mannigfaltigkeit der
Charaktere und menschlicher Empfindungen einlassen.
Aber wer mit offenem Sinne sich der ruhigen Betrachtung
dieser Ueberreste hingiebt, der wird in ihnen die eigen-
thümliche sittliche Schönheit des griechischen Geistes,
die Verbindung voller persönlicher Freiheit und edlen
Selbstgefühls mit der innigen Ilingebung für das All-
gemeine erkennen , er wird es verstehen , wie diese
Richtung der Sittlichkeit die schönste Ausbildung des
plastischen Styls begünstigte.
Auch vom Theseusternpel, der, wie oben schon
bemerkt zu Cimons Zeit etwa 30 Jahre vor dem Parthe-
non gebaut wurde , sind uns einige Metopen und ein
Fries erhalten, mit Darstellungen von Kämpfen des The-
Seus und Herakles. Sie haben in der That ein alterthüm-
licheres Ansehen wie die Werke des Parthenon, erinnern
in Verhältnissen und Behandlung noch an die ägiiletischen
Statuen, doch ist die Sulptur schon höchst vorzüglich
und jener verwandt , auch schon an sehr lebendigen
Motiven reich, so dass wir hier Fortschritte der Kunst
wahrnehmen, die den wunderbaren Schöpfungen des Phi-
dias vorhergingen und sie einleiteten. Andrerseits zeigen
uns die etwas nach Phidias entstandenen weiblichen
Statuen, welche das Gebälk der pandrosischexi Kapelle