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Dritte
Periode
der
griech.
Kunst.
äusserliche Concession gegen die Architektur ansehen,
welche der Plastik selbst, als der Darstellung der indi-
viduellen Natur , fremd sei; die Architektur ist überall
die Mutter der Plastik, in der Verbindung mit ihr, in
der Geltung ihrer Linien ist das enthalten, was die Kunst
von derlsinnlichen Natur scheidet. Man darf sich aber
ebensowenig diese Berücksichtigung des architektonischen
Styls in jedem einzelnen Kunstwerke wie eine bewusste
Absicht des-Künstlers vorstellen; eine solche können
wir höchstens da annehmen, wo eine unmittelbare Ver-
bindung "mit einem Gebäude stattündet. VVir linden sie
aber hier als die allgemeine Eigenschaft des herrschenden
Styls, als die Regel, welche jene genaue und völlige Natur-
wahrheit zu einer höhern Würde erhebt. Sie hängt (laher
zum Theil mit der historischen Entwickelung der Plastik
aus dem architektonischen Style zusammen, gewiss aber
auch mit einem moralischen Element, das schon in dem
ersten Gedanken des Werkes, in der Begeisterung des
Künstlers wirksam ist. Die architektonische Regel des
Kunstwerkes entspricht der sittlichen im Leben. In der That
weht uns aus diesen Bildwerken ein Geist hoher, schöner
Sittlichkeit entgegen, ein Geist der Kraft und der Milde;
in den höchst bewegten, selbst in den kämpfenden Ge-
stalten ist noch ein Zug der Ruhe, der sichern, leiden-
schaftlosen Uebung, welcher uns den Anblick wohlgebil-
deter, in Sitte und Mässigkeit erzogener Menschen giebt;
in den ruhenden Gestalten dagegen zeigt sich die Kraft
in dem schönen Bau der vielgeübten Glieder, in der
anmuthigen, leichten Haltung. Diese Milderung der Kraft
und Kräftigung der Milde hängt mit dem feinen Sinne
für die reine Form und für die architektonischen Ver-
hältnisse
im
Gegensafze
gegen
die
blasse
Nachahmung