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Dritte
Periode
der
griech.
Kunst.
geben mehr den Eindruck einer Naturkraft , als eines
höhern sittlichen Waltens; es waren überdies plastisch
unklare Vorstellungen, welche auch dem Kunstsinne der
Griechen nicht genügten. S0 mochten denn die frühem
Standbilder der Gottheiten eine dunkle unbestimmte Ehr-
furcht, die Vorstellung der Macht, die gewähren und
versagen könne, erweckt haben; erst unter der Hand des
Phidias erhielt dies Gefühl die hohe, sittliche Würde.
Der Donnerer wurde erst durch ihn wahrhaftder Vater
der Götter und Menschen, der gerechte Regierer der Welt,
welcher Macht mit Milde paart, aus dessen Schoosse,
wie es beim Sophokles heisst, die ewigen Gesetze auf-
steigen, der das LTnrecht rügt und die Gastlichkeit schützt,
Jene höhere Auffassung der Götter, welche ihre furcht-
erweclaendc Macht zur ehrfurchtgebietenden Würde um-
wandelte, erhielt durch Phidias ihre volle Gestaltung.
Die Kunst ging durch ihn in das geistig Charakteristische,
in das wahrhaft Menschliche über. Er gab auch dem
Haupte geistiges Leben, Während in den frühern Bildun-
gen nur die Formen der Glieder wahrhaft belebt waren.
Bei alledem mag aber jener alterthümliche Reichthum
der Ausstattung auch dazu beigetragen haben, die reli-
giöse VVirkung zu verstärken; er verlieh dem Werke
etwas Wunderbares, Mächtiges, die einfachem Gestal-
ten der später-n Kunst erschienen menschlich dagegen.
WVir finden hier wie überall, dass das Höchste und WVirk-
samste auf der Gränze der Zeiten geleistet wird, wo ein
begabter Geist das Versehiedenartige und Widerstrebende
kräftig zusammen zu halten vermag, während das, was
ihm noch neu war, für seine Nachfolger schon zu nläch-
tig ist, um noch die Verbindung mit dem Alterthümlichen
zu dulden.