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Dritte
Periode
d er
griech.
Kunst.
führen, desto mehr unterscheiden sich auch die Künstler
in ihrer individuellen Sinnesweise. In der Baukunst ist
es eine Wirkung ihres reinem, erhabenern Charakters,
dass wir den Meister bei seinem Werke vergessen; in
der Plastik (lagegen giebt dies persönlichere Element der
Geschichte der Kunst in der Epoche ihrer höchsten Blüthc
einen eigenthümlichen Reiz, selbst da, wo wie hier die
lange Reihe der Jahrhunderte und die Mangelhaftigkeit
der Ucberbleibsel und Nachrichten es uns erschwert oder
versagt , bis in die Bildungsgesehichte der einzelnen
Künstler einzudringen. Eine Folge hievon ist es, dass
wir, während die Baukunst dieser Periode nur eine zu-
sammenhängende Erscheinung bildet, in der Geschichte
der Plastik zwei PIpochen oder zwei Künstlergeirerationen
Wahrnehmen, in welchen sich der Fortschritt der Ent-
wickelung deutlicher gesondert darstellt. Diese Trennung
ist um so bedeutsamer, weil die erste beider Generationen,
die Zeit des Phidias und des Polyklet, mehr eine Vollen-
dung der vorhergehenden Richtung , der eigenthiimlich
griechischen Kunst enthält, die zweite, die des Praxi-
teles und Lysippus die Kunst so ausbildet, wie sie später
auch zu andern Völkern übergehen und bei ihnen weilen
sollte; jene eine mehr nationale, diese eine mehr allgemein
menschliche Form hervorbringt; wir sehen die Kunst auf
ihrem Gipfel, dessen Einheit durch die Baukunst um-
schlossen wird , während die Plastik seine doppelte
ziehung auf Vergangenheit und Zukunft ausspricht.
Die
Zeit
des
Phidias
und
Polyklet.
Der Ruhm des Phidias übersteigt schon im Alter-
thum den jedes andern Künstlers; man kann die schönste
Blüthczeit der athexxienmsischen Kunst nicht nennen, ohne