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Die Entwickelung der Sculptur in dieser Epoche des
griechischen Lebens scheint noch bedeutender zu sein,
wie die der Baukunst; der Abstand zwischen den noch
immer starren und leblosen Gestalten der vorigen Periode
und der lebensvollen,_ unvergleichlichen Schönheit stellt
sich dem Auge noch grösser dar, als der zwischen den
Bauwerken beider Zeiträume; indessen hielt dennoch die
Plastik im Wesentlichen nur gleichen Schritt mit der
Architektur. In beiden milderte sich der spröde Ernst
zu schöner, erhabener YVürde und Anmuth.
Es entsmnd zunächst der hohe Styl, die Vollen-
dung des religiösen Sinnes der Vorzeit; dann aber bildete
sich die Richtung auf das Individuelle, auf das WVeibliche,
Anmnthige und Zarte immer weiter aus, "so dass neben
jenen hohen Gestalten auch das jugendlich Liebliche sein
Recht erhielt und der Kreis der Ideale jeglicher Gattung
sich vollendete. Nur das Aeusserste des Weichen und
Zierlichen, des Reichen und [Tßpplgßll in beiden Künsten
wurde noch nicht erstrebt, und blieb, ein freilich bedenk-
licher Zuwachs, einer spätem Epoche vorbehalten. WVir
bemerken daher im Ganzen denselben Gang und diesel-
ben Gränzeix der Entwickelung in der Plastik, wie in
der Baukunst; aber wie diese die strengere, einfachere,
jene die reichere, mehr dem individuellen Leben zuge-
wendete Kunst ist, so zeigen sich hier auch die Abstu-
fungen deutlicher und mannigfaltiger, sie knüpfen sich
mehr an bestimmte Künstlernamen. Je mehr der Geist
der Zeit die Entwickelung des persönlichen Lebens be-
günstigt, desto mannigfaltiger werden in dieser freiem
Kunst die Aufgaben und die Wege, Welche zum Ziele