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Dritte
Periode
der
griech.
Kunst.
Das zweite erhaltene Denkmal, das des Thrasyllus,
ist bedeutend einfacher; es ist in den Fels gehauen und
dient als Vorderseite einer Höhle. Es trägt zwei Drei-
Füsse, den des Thrasyllus und den , welchen später sein
Sohn 'l'hrasykles erwarb. Dieser aber war nicht mehr
vermögend, er war nicht mehr Choragus selbst, sondern
nur Führer eines vom Staate bestellten Chors gewesen,
weshalb er denn auch das Denkmal seines Vaters benutzte.
Das Monument besteht aus drei vertretenden Felsenpfei-
lern , von denen der mittlere schmaler als die beiden
äussern ist. Sie sind dorischer Art, natürlich wie es die
Form des Pfeiler-s mit sich brachte, mit schwacher An-
deutung des Kapitäls. Auch sonst finden sich manche
Abweichungen von den Verhältnissen des dorisehen Styls;
die Stämme der Säulen sind übermässig hoch, die Ent-
fernungen derselben bedeutend grösser wie gewöhnlich.
Doch erklärt sich dies leicht und darf noch nicht als ein
Zeichen des Verfalls angesehen werden, da die blosse
Facade einer Grotte nicht die Ansprüche eines freiste-
henden Gebäudes machte. Auch der Fries ist nicht mit
'l'riglyphen, sondern mit Kränzen verziert, in freier An-
spielung auf den Sieg des Gründers. Eine weiblich ge-
kleidete Bildsäule stand auf diesem Gebälke zwischen
den
beiden
Altären.
Wir sehen in dieser Periode die griechische Archi-
tektur in ihrer ganzen Schönheit ausgebildet. Der dorische
Styl hat jene allzuschweren Verhältnisse, die jugendliche
Herbigkeit der frühern Zeit abgelegt und, ohne Nachtheil
für seine Würde, das schöne Maass, die milde und doch
grossartige Anmuth entwickelt, welche das eigentlich
Charakteristische des griechischen Geistes ist. Daneben
ist nun auch der ionische Styl nicht mehr das ausschliess-