Einleitung.
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das kühne, mit fester Hand ausgeführte Wagniss des
Themistokles errang die Palme. Dort haftete, wenn es
erlaubt ist die That als ein Gleichniss des Sinnes zu ge-
brauchen, aus dem sie hervorging, der Geist noch auf
dem Boden und wusste nur todesmuthig darauf zu ster-
ben; hier hob er sich geflügelt darüber empor und fand
seine Heimath auch auf dem beweglichen Elemente des
Meeres. Es war gewiss nothwendig, es war aber auch
entscheidend für die weitere Entwickelung des griechi-
schen Geistes und wir können sagen der WVelt, dass nun-
mehr Athen den Vorrang der Macht und des Ileichthums
in Griechenland erlangte, und dass der gewandte, beweg-
liche Geist des ionischen Stammes die feste, gediegene
Form des dorischen bleibend durehdrang. Wer vorzüglich
auf die dauerhafte Ausbildung der Staaten und der bür-
gerlichen Sitte sieht, mag diesen Gang der Dinge viel-
leicht aber auch nur, vielleicht beklagen; für Kunst
und Wissenschaft war er unläugbar von entschiedenem
Vortheile. Das feinste Schönheitsgefühl , der scharfe
Verstand, der philosophische Geist fanden in den Mauern
AthenS für lange Zeit ihre Heimath. Die grossen 'l'ragi-
ker, welche in wenigen Jahren auf einander folgten, das
kühne Wagniss der aristophanisehen Komödie werden
immer unerreicht bleiben; der feine, gedrängte Scharfsinn
der attischen Beredsamheit giebt allen Zeiten ein Muster,
und an der klaren Tiefe, der anmuthigen Gründlichkeit,
dem engelreinen Ernst der platonischen Philosophie üben
und stärken sich die verwandten Geister der spätesten
Generationen. Nicht geringer aber wuchsen auf diesem Bo-
den die bildenden Künste, in ihnen vielmehr gewahren wir
den Mittelpunkt aller dieser verschieden Bestrebungen,
und die dauerhafte Blüthe des griechischen Sinnes.