Zweite
Periode
der grie ch.
Kunst.
des Priamus im dritten Gesange der Ilias. Man sollte
daher glauben, dass die Kenntniss und Aufmerksamkeit
auf die feinern Züge des Seelenlebens sich nur erweitert
haben könnte. Allein, wie man es bei ausgezeichneten
Knaben findet, dass Talente, Welche sie frühe vereint
besessen, später sich trennen, dass eines eine Zeit lang
aussehliesslich vorherrscht, und das andere in den Hin-
tergrund drängt, bis dann auch dieses sieh wieder geltend
macht, so war es auch wohl in dem Entwiekelungsgange
der Griechen. Jene Freiheit und Mannigfaltigkeit der
Charaktere der homerischen Helden erlag nach den
Heraklidenkämpfeil unter der strengen, regelrechten Hal-
tung der dorischen Sitte, oder trat Wenigstens zurück.
Bei Fürsten und aristokratischen Geschlechtern war eine
so freie Entwickelung der Persönlichkeit natürlich gewe-
sen; aber sie führte, vielleicht grade durch die Lebens-
fülle des griechischen Charakters, zu wilden Kämpfen,
zu einem rechtlosen Zustande, welcher den Ordnungssinn
des Volkes verletzte. Da erschien denn die einfache
Frömmigkeit, die republikanische Strenge, zumal nach
dem Eindringen der ruhigern , nordischen , dorischen
Stämme als etwas höchst Wünschenswerthes. Es entstand
nun jene feste Gesetzlichkeit, Welche nicht bloss auf dem
Marktplatze, im Gericht und in der Volksversammlung
herrschte, sondern das Leben des Hauses bis auf die
Ordnung des Tisches und der Tracht regelte. Jene feier-
lichen Gestalten , die wir in den YVerken der ältern
Kunst sehen , mit ihren steifen und festlich gefalteten
Gewändern, mit dem unveränderlichen Blicke, dem gleich-
mässigen Schritte und der Beobachtung fester Regeln
bis in die Fingerspitzen, geben ein Bild dieses Zustan-
des, in welchem es als das Höchste galt, sich strenge