Würdigung
des
bildnerisclxen
Styls.
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die
für
Überhand gewonnen, und in den Körpern
die Schönheit der Verhältnisse mit einer
ist der Sinn
vollkomme-
nen Kenntniss der Knochen und Muskeln verbunden, die
selbst bis zur Täuschung natürlich ist. In der Kühnheit
der Stellungen und in der Mannigfaltigkeit der Haltung
äussert sich ein hoher Grad künstlerischer Freiheit. Die
Bewegung ist dem Leben abgelauscht, nicht durch eine
her-gebrachte Regel oder durch eine sclavische Nach-
ahmung der Natur entstanden, und man fühlt, dass die
Steifheit oder Unbeholfenheit, die an einzelnen Gestalten
und in einzelnen Körperthcilen noch zurückgeblieben ist,
auf diesem Wege freierer Beobachtung der Natur bald
verschwinden muss. Nur in einer Beziehung können wir
einen entschiedenen Mangel aufzeigen, in der Form und
im Ausdruck der Köpfe. Schon die spröden, gedehnten
Züge, die Missachtung des schief gestellten Auges, die
übermässige Länge des Kinnes zeigen, dass der Sinn
für das geistige Leben des Hauptes noch nicht soweit
wie der für die Wohlgestalt des Leibes ausgebildet ist.
Dazu kommt denn die lächelnde, nichlssagende Miene,
welche sich bei Siegern und Unterliegenden , bei der
Göttin und den Menschen, bei Griechen und bei Troern
wiederholt, der Mangel an Verschiedenheit der Charak-
tere und Mtlmellüe-t
Diese Erscheinung kann im höchsten Grade befrem-
den. Schon Homer, der so viele Jahrhunderte früher
sang, zeichnet die moralischen Eigenthümlichkeiten seiner
Helden so scharf. Er malt nicht bloss das Aeusserliche
ihrer Handlungen sondern auch die Gemüthsbewegungen.
Schon ihr blosses Auftreten ist oft höchst bezeichnend
für ihren Charakter; man denke nur an die
der griechischen Helden im Gespräche der
Schilderung
I-Ielena und