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Zweite
Periode
der
griech.
Kunst.
hingegebene , bescheidene Frömmigkeit und den Geist
des Strebens und Forschens, die Anhänglichkeit an das
Hergebraehte und den Trieb unbeschränkten Fortschreitens.
Beide sind hier noch nicht vollkommen verschmolzen, sie
zeigen sich in gesonderten Momenten, aber darum nur
um so klarer und" bestimmter. Ihre künftige Durchdrin-
gung gewahren wir nur daran, dass beide jetzt schon
gleiches, wenn auch auf jeder Seite übertriebenes Maass
halten, und wir haben daher von diesen Werken einer
noch vorbereitenden Zeit den wohlthätigen Eindruck,
Welchen uns der Anblick eines Jünglings macht, in dessen
wiewohl schroffen Aeusserungen wir den Charakter des
bedeutenden Mannes ahnen. Auch in einem solchen ist
noch nicht die vollkommene und ruhige Harmonie der
Kräfte, Welche bei späterer Reife eintritt. Er geht bald
nach der einen, bald nach der andern Seite hin zu weit,
die Elemente seines Wesens kämpfen noch in ihm und
erlangen wechselweise die Oberhand. Aber grade die
Kraft dieser einzelnen Aeusserungen, das deutliche und
entschiedene Einsetzen der Töne bürgen für die Entwicke-
lung seines Wesens. S0 ringen denn auch in diesen
Kunstgestalten die beiden Elemente, die beharrende Fröm-
migkeit der Ueberlieferung mit dem Geiste der Freiheit,
und in diesem Kampfe spricht sich die Frische der Jugend
und die Zuversicht des Werdens erfreulich aus.
In den vollkommensten Werken dieser Epoche, den
äginetischen Statuen, sehen wir diesen Zwiespalt seiner
Entscheidung nahe gebracht. Jenes Conventionelle der
frühem Kunstübung ist schon gemildert; nur in der Hal-
tung und Bekleidung der Göttin ist es noch auffallend,
in der Anordnung der Gruppe Wirkt es nur als Wohl-
thätige symmetrische Regel. Die Naturwalirheit hat schon