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Zweite
Periode
der
griech.
Kunst.
trojanisehen König Laomedon, oder auf den bei demsel-
ben Zuge des Herakles vorgefallenen Kampf um den
Leichnam des Oikles bezogen.
Die meisten der Helden sind nackt, nur mit dem
Helm und Schilde, und zum Theil mit Beinschienen be-
wehrt; bloss die Bogensehützen sind mit enganliegenmlem
ledernen Harnisch bekleidet. Der troische Suchütze des
westlichen Giebels, ohne Zweifel Paris, trägt die phry-
gische Mütze und enganliegende Hosen, die Tracht per-
sischer Bogenschützen. Der griechische Schütze des
östlichen Giebels scheint den Herakles darzustellen, sein
Haupt ist mit einem Löwenkopfe bedeckt. Man sieht,
in beiden Gruppen ist der Sieg hellenischer Helden gegen
die Barbaren Asiens dargestellt, ohne Zweifel mit einer
Anspielung auf den eben glücklich bestandenen Kampf
gegen die Perser, auf welche die 'l'racht des Paris noch
besonders hindeutet.
An diesen Gestalten ist die Bildung der Körper
schon von grosser Schönheit und Natur-Wahrheit. Die
Bewegungen sind kräftig und ziemlich belebt, die Formen
gesund und nicht unedel, die Muskeln, Sehnen und son-
stigen feinem Theile des Körpers mit grosser Genauigkeit
und ohne Ueberladung gearbeitet. Auch das Weiche ist
nicht vernachlässigt; die Haltung des Patroklos , sein
sanft gebeugtes Haupt, sein sinkender Leib ist rührend
und mit Empfindung behandelt, und auch die Stellung
der Pallas ist, wenn auch etwas steif, doch, wie bereits
erwähnt, für ihre göttliche, mehr geistige als körperliche
Mitwirkung bezeichnend und sinnvoll gewählt. Weit
weniger befriedigend ist die Form und der Ausdruck der
Köpfe. Das Kinn ist meistens übermässig gross und
spitz vortretend, die Nase kurz, der Mund nahe an der