Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

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Griechen. 
migkeit noch ein Mal mehr zu üben. Bei dieser Leich- 
tigkeit der Fortpflanzung religiöser Traditionen konnte es 
denn an Abweichungen derselben nicht fehlen, Weder die 
Personen der Götter noch ihre Thaten und Schicksale 
galten für völlig festgestellt. Allein diese Zweifel beun- 
ruhigten die Gemüther keinesweges, man rief, wie es in 
einem Chore des Sophokles heisst, den Gott an, welchen 
Namen er auch führen möge. So überwiegend war in 
dieser Religiosität das Moment subjectiver, persönlicher 
Frömmigkeit, so unbekümmert war das fromme Bewusst- 
sein über das Objective der Gottheit und ihre Beziehung 
auf die sichtbare Welt. 
Ebenso frei und ungebunden war die Beziehung der 
Götter auf das Moralische. Im Allgemeinen galten sie 
zwar für Beschützer des Rechts und Rächer des Unrechts, 
aber worin beides bestand, das war durch keine feste 
Lehre ursprünglich festgestellt. Grade dadurch aber blieb 
das eigene sittliche Gefühl ungehemmt und entwickelte 
sich freier und schöner, als bei irgend einem andern 
Volke. Statt durch unvcllkommene Vorstellungen von 
der Gottheit zu leiden, wirkte vielmehr das sittliche Ge- 
 fühl der Griechen auf diese Vorstellungen zurück, bildete 
und veredelte sie. Griechenland nahm die Sagen andrer 
Völker, mythisch eingekleidete Naturanschauungen bei 
sich auf, legte ihnen aber mehr und mehr einen frei poe- 
tischen und sittlichen Sinn unter. Sonne, Mond, Stern- 
bilder, Jahreszeiten waren den frühem Nationen zu Göt- 
tern geworden; der Grieche sah in diesen Gestalten edle 
lebensvolle "Persönlichkeiten und die Träger und Leiter einer 
moralischen Weltordnung. In diesem Sinne haben die Dichter 
die Götter gebildet, indem sie den rohen und unförmlichen 
Gestalten der Barbaren lieben und Geist einhauchten.
	        
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