Strenger
Styl
der
Plastik.
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gleichen alterthümlichen Gestalt zu sehen. Noch in sehr
später Zeit, nachdem die Kunst die Periode ihrer höch-
sten Blüthe und üppigsten Entfaltung schon überlebt hatte,
bewahrte man an vielen Orten die, rohen Götterbilder,
welche durch die Verehrung der Jahrhunderte eine grösse-
re Heiligkeit erhalten hatten. So entfernte man sich auch
nur langsam von den einfachen Stoffen; an den Holzblock,
der den Körper bildete, setzte man anfangs nur Kopf,
Arme und Füsse von Stein oder Metall an , und erst
allmälig verdrängte die prachtvolle Bekleidung mit Gold
und Elfenbein die buntfarbigen und mit Wirklichen Ge-
wändern behängten Giötterbilder. Dieser Geist der Ehr-
furcht brachte es denn auch mit sich, dass man strenge
Züge und eine wenig bewegte Haltung, entweder die
sitzende, oder eine steif aufrechtstehende an den Göttern
liebte. Freier war man freilich bei der Darstellung
menschlicher Gestalten , welche jetzt immer häufiger
wurde. Schon bald nach dem Anfange dieser Periode
fing man an, die Sieger bei den Spielen, besonders bei
den olympischen, durch Statuen zu ehren, zuerst in Holz,
später in dauerhaftem Stoffen. Eine eigentliche Porträt-
ähnlichkeit war dabei wohl noch nicht beabsichtigt; Plinius
berichtet, dass nur denen, welche drei Mal in Olympia
gesiegt, ikonische, porträtartige Bilder gesetzt wurden.
Aber doch musste die Art des Kampfes und die Erinne-
rung der Kraft und Gewandtheit des Siegers darin ange-
deutet werden, und da sich hiemit die Freiheit von dem
Zivange religiöser Ueberlieferung verband, so war schon
eine der Kunst förderliche Bahn geöffnetii). Auch in
5') Sehr lange blieb indessen auch bei diesen Bildern eine starre
Haltung. So beschreibt Pausanias (VIII. c. 49.) die Bildsäule eines
gewissen Arrachion, der zu Olympia von seinem Gegner vor den
Augen der Zuschauer erwürgt, aber doch als Sieger gekrönt war.
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