Tempel
Zll
Paestum.
Zeitrechnung können wir die Reihe der Bischöfe von
Paestxun verfolgen, dann aber scheint die ungesunde Luft,
welche in diesen verödeten und sumpfigen Gegenden sich
verbreitete, die Bewohner verscheucht zu haben. Diesen
Schicksalen imd der abgelegenen Lage ist es ohne
Zweifel zuzuschreiben, dass weder die Ueppigkeit der
römischen Kaiserzeit noch die N 0th des Mittelalters hier
zerstörend gewaltet haben, und dass wir noch jetzt die
uralten Bauten , wahrscheinlich die, welche nach der
ersten Gründung der sybaritischeil Pflanzstadt errichtet
wurden, zwar in Trümmern, aber in ziemlich wohlerhal-
tenen, unverkümmert und unentstellt, ohne alle störende
Umgebung bewundern können. Ausser der cyklopischen
Stadtmauer sind die Ueberreste von drei Gebäuden er-
halten. Zwei demselben sind ohne Zweifel Tempel, mit
freiem Portikus von sechs Säulen an der Fronte, vierzehn
der grössere, dreizehn der kleinere auf der langen Seite;
der grössere (wie man mit Wahrscheinlichkeit vermuthet,
dem Poseidon gewidmet) ein Hypaithros. Dieser grössere
Tempel scheint der frühere zu sein, er gewährt uns die
Anschauung des ältern dorischen Styls in seiner strengen
Reinheit so vollständig, wie kein anderer. Die mächtigen
stark verjüngten Säulen, noch ohne die mildernde Schwel-
lung, eng aneinandergestellt, in nicht viel grösserer Ent-
fernung als der untere Säulendurchmesser, gleichen einer
Schaar von dichtgereiheten, kampflustigen Männern; das
einfache, hohe Gebälk, fast von der halben Höhe des
Säulenstammes, mahnt an die feste Stirn, die starke Aus-
ladung des Kapitals an den breiten Knochenbau der Schul-
tern; das rechtwinkelig vertretende Kranzgesimse endlich
beschattet die untern Glieder wie das wollige Haupthaar
oder die starken Augenknochen an den Herculßsgestalten.