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Zweite
Periode
der
griech.
Kunst.
treiben. Diesem Eifer entsprach die Begeisterung der
Künstler , welche durch Leistungen oder Rathschläge
mitwirkten oder zu ihrer Ausbildung und Belehrung nach
den berühmten Baustätten hinwanderten, und durch diesen
Verkehr beitrugen, den Sinn für Schönheit auch unter
dem Volke zu berichtigen und anzufeuern. Dadurch aber
wurden diese Unternehmungen zu einer Angelegenheit,
nicht bloss des Localpatriotismus einzelner Städte und
Landschaften, sondern des ganzen Hellas und trugen
dazu bei, das geistige Band der getrennten Staaten zu
kräftigen und fester zu ziehen. Und andrerseits gewährte
die lange Dauer bedeutender Bauten den Vortheil, eine
Pflanzschule der Kunst zu bilden, in Welcher mehrere
Generationen heranwachsen und von da aus ihre Erfah-
rungen und Empfindungen mannigfaltig gestalten und
anwenden lernten. Nicht bloss das eigentliche Griechen-
land, die Inseln und die ionischen Städte an der Küste
von Kleinasien nahmen an diesem Verkehr Antheil, son-
dern gewiss auch die griechischen, meistens dorischen
Colonien in Unteritalien und Sicilien. In diesen Gegenden
ist es, wo sich die bedeutendsten und frühesten Monu-
mente dieser Periode erhalten haben. Paestum (Posi-
donia) im Meerbusen von Salerno, eine Colonie, welche
nicht von Griechenland unmittelbar , sondern von dem
reichen und bevölkerten Sybaris etwa um das Jahr 500
vor Christi Geburt gegründet war, wurde schon nach
kurzer, kaum anderthalbhundertjäl1rigei' Blüthe von den
Lucanern unterjocht. Später, als diese wiederum von
den Römern besiegt wurden, theilte es dieses Schicksal,
erlangte auch die Rechte einer römischen" Colonie, aber
niemals wieder den Glanz und den Reichthum einer selbst-
ständigen Stadt. Bis in das zehnte Jahrhundert unserer