Einleitung.
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Welche man die der sieben Weisen nennt, ist dieser Pro-
zess vollbracht und wir sehen nim, wie auf diesen Fun-
damenten sich die freiem und zartem Gebilde erheben.
Diese sogenannten sieben Weisen sind noch halbmythi-
sehe Gestalten; ihre Weisheit besteht nicht, wie die der
spätern Philosophen, in tiefen oder phantastischen Lehr-
gebäuden über die Entstehung der Dinge , sondern in
praktischen, moralischen Regeln, in einzelnen leicht fass-
lichen und fruchtbaren Sprüchen. Wir sehen daher in
ihnen, wie die entstandene sittliche Ansicht sich zu festeren.
Begriffen und feineren Betrachtungen ausbildet, und er-
kennen das WVohlgefallen des Volkes an diesem Gegen-
stande darin, dass es die Sprüche gleichsam personiiicirt,
indem es sie bekannten und bedeutenden Männern beilegt.
Diese Sprüche selbst, man denke nur zum Beispiel an
Solons bekannte Aeusserung gegen Kl-ösus über das
Glück, zeigen schon den hohen Werth, Welchen man
sittlichen Vorzügen, dem tilgendhaften Leben, dem 'l'ode
für das Vaterland oder für die Familie beilegte. Auch
Solons mildere, demokratische Gesetzgebung ist ein Be-
weis, dass das Volk schon in so Weit von dem Geiste
griechischer Sittlichkeit durchdrungen War , dass man
glauben konnte, keines harten äussern Zwanges zu be-
dürfen.
In jeder Beziehung regt sich nun auch sofort ein
höheres geistiges Leben. Die Philosophensehulen begin-
nen, Pythagoras sammelt in edler Schwärmerei eine
priesterliche Sehaar von Freunden; die Dichtkunst nimmt
einen höhern lyrischen Schwung an, die Macht der Rede
und der 'l'öne steigert das empfängliehe Volk zu Wun-
derbarer Begeisterung. Bei den öffentlichen Spielen
sehliesst sich an die Wettkämpfe körperlicher Kraft und